Sie nimmt sie an der Hand und führt sie zu dem Geist in Wuppertal, die anderen folgen

Ein umfassender Bericht vom „under construction“-Festival

Das “under construction”-Festival im ehemaligen Wuppertaler Schauspielhaus war für Fernanda Ermelindo ein Ort der Reflexion mit Momenten der Stille und einer spürbaren Kraft von Pina.

Wuppertal, 12/05/2022

Studierende des BA Tanz und MA Tanzwissenschaft der Hochschule für Musik und Tanz Köln bloggen über das „under construction“-Festival, das von 06.-08. Mai im zukünftigen Pina Bausch Zentrum stattfand. In einem 48-Stunden-Marathon versammelte es Performances, Musik, Animation, Rollerskating, Yoga, Clubbing, Konzerte, Aktionen wie Bäume pflanzen und Gespräche von und mit lokalen und internationalen Künstler*innen und Aktivist*innen.

 

Von Fernanda Ermelindo

Am vergangenen Wochenende hat das ehemalige Wuppertaler Schauspielhaus und zukünftige Pina Bausch Zentrum Platz gemacht für das „under construction“-Festival. Der Name ist offensichtlich: Das Gebäude ist im Umbau.

Und das Gebäude ist ein Geist. Es beherbergt die Geschichte vieler vergangener Jahre. Es ist weiß und es ist alt wie das Gespenst in einer Kindergeschichte. Seit neun Jahren ist es fast komplett geschlossen – bis auf wenige Veranstaltungen wie dem „under construction-Festival, dessen erste Ausgabe 2020 stattfand. Ob die Wuppertaler das Gebäude überhaupt noch sehen? Wenn sie morgens vom Hauptbahnhof zur Arbeit eilen, wissen sie dann überhaupt, dass dieser weiße Riese noch da ist? Man muss den Kopf schon ein bisschen drehen, weil es nicht direkt an der Bordsteinkante steht. Oder steht da nur noch ein Geist, kalt und vergessen?

Nach Pinas Tod im Jahr 2009 war schnell klar, wie wichtig es ist, ihr Andenken und ihr Vermächtnis zu bewahren. Nur wie? Das ist die Frage, um die die Bestrebungen der vergangenen Jahre mit der Gründung der Pina Bausch Foundation kreiste. Unter anderem wurde der Plan für das Pina Bausch Zentrum geschmiedet. Ist also das Gebäude, der Geist in der Bundesallee 260, in dem zahlreiche von ihren Aufführungen stattfanden, der perfekte Ort dafür?

An diesem Wochenende drehte das „under construction“-Festival auf einem alten Röhrenfernseher die Knöpfe und wechselte die Kanäle, um diesen Ort näher zu erforschen. Zum Geist der Vergangenheit gesellte sich so der Keim der Zukunft, und vergangenes Wochenende fühlte es sich an, als würde man 48 Stunden lang auf einem schmalen Grat dazwischen wandeln und einen durchsichtigen Schleier passieren.

Wenn die Hauptidee des Festivals darin bestand, das Tanztheater Pina Bauschs in die Zukunft zu bringen und neuen Stimmen Raum zu geben, so ist dies mit einem vielfältigen Programm gelungen. Das Bühnenprogramm setzte sich zusammen aus einer Mischung aus Streetstyle, afrikanischem, zeitgenössischem Ballett und natürlich Tanztheater. In Rainer Behrs "Zugvögel" und Pau Aran Gimenos "Un Cadavre Exquis II", beides (ehemalige) Tänzer der Kompanie, ist Pina sehr deutlich zu sehen.

Das Festival mag seinen Teil zur Suche nach der Vergangenheit und möglichen Zukunft des Tanztheaters beigetragen haben, indem es ein von Bettina Wagner-Bergelt und Stefan Dreher differenziert kuratiertes Programm anbot, aber was suchte das Publikum? Auch das war unterschiedlich. Von kleinen Kindern, deren Augen beim Anblick von Zuzana Zahradnikovas Spitzenschuhen in Richard Siegals unbetitelter Uraufführung funkelten, über blauhaarige Teenager, die bei den urbanen Moves in Par Terre / Anne Nguyen Dance Company's „Underdogs“ oder in Oona Doherty's „Hope Hunt and the Ascension into Lazarus“ mitfieberten, bis hin zu den alten Leuten, die "früher oft hierher kamen, um Pina zu sehen".

Das als 48-stündiges Non-Stop-Festival angekündigte Erlebnis war jedoch nicht ganz so, wie man es erwartet hatte. Es gab Pausen, Momente der Stille und sogar eine zeitliche Lücke mit verschlossenen Türen nach dem Ende des DJ-Sets um 7 Uhr morgens, auf das der Beginn des nächsten Slots mit Bühnenperformances um 11 Uhr folgte. Als aktiver Teil konnte man jedoch im Gebäude bleiben: Wenn man bis 8:30 Uhr mit Stefan Dreher Yoga praktizierte oder Gast des Klimafrühstücks war. Der Marathon war für die Crew nicht zu stoppen. Die Produzentinnen Barbara Falter und Caro Lutz waren immer vor Ort und machten kurze Pausen - eine nach der anderen - um sich im Hotel auf der anderen Straßenseite zu erholen.

Es war in vielerlei Hinsicht ein Wochenende der Reflexion. Was am meisten auffiel, war die Kraft von Pina, die so viele verschiedene Menschen noch einmal nach Wuppertal gebracht hat.

 

In den vergangenen Tagen sind verschiedene Beiträge und zwei Fotoblogs zum „under-construction“-Festival entstanden. Diese wurden von den Studierenden Fernanda Ermelindo, Swantje Kawecki, Thaddäus Maria Jungmann und Pauline Michel im Rahmen einer Schreibwerkstatt mit Miriam Althammer am Zentrum für Zeitgenössischen Tanz der Hochschule für Musik und Tanz Köln verfasst. Alle Links dazu  finden Sie hier:

Fotoblog Erzählungen für die Zukunft

Fotoblog 2027

Tumult der Stühle – Fabien Priovilles VR-Installation „NOW FICTION“

Schlafen als aktive Teilnahme

Ein Text über Arme

Koexistenz sozialer Räume vor dem zukünftigen Pina Bausch Zentrum

 

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