„Lemniskata“ von Lukas Avendaño

Der Mann im Rock

Der Mexikaner Lukas Avendaño gilt als Provokation

Tradierte Geschlechterrollen kann man ausfüllen oder hinterfragen. Letzteres wird nicht überall goutiert, so auch nicht in Mexiko.

Von Arnd Wesemann

 

Lukas Avendaño ist Indigener, Mexikaner, frei genug, anders zu denken und zu handeln, als es westliche Normen vorschreiben. Als Künstler leistet er Widerstand, durch Tanz, mit politischen Inszenierungen und seinem nackten, männlichen Körper. Das ruft Bewunderung, Wut und Ablehnung hervor – als hätte die Welt Angst davor, in Frieden und Freiheit unterzugehen

Lukas Avendaño, dieser Choreograf aus Mexiko, hat den Druck seines Landes immer gespürt. Wer sich schminkt wie er, Frauenkleider trägt, kann nur eine Tunte sein, die bestens untertauchen sollte in die Subkulturen von Mexiko City. Lukas Avendaño ging den umgekehrten Weg, raus aufs Land, nach Tehuantepec in den Süden, in eine Provinz, die arm ist und in der niemand das Wort „Transgender“ in den Mund nehmen würde. Nicht, weil man nicht wüsste, was das sein soll, sondern weil der Mann, der weibliche Ambitionen hat, gut zu gebrauchen ist für das, was man weibliche Arbeit nennt: Pflegen, Kochen, Unterrichten, gern auch Tanzen.

Nur gibt es gibt keine „weibliche“ Arbeit – selbst im vom Machismo so geprägten Mexiko nicht. Hier fällt immer wieder ganz anderes Wort:“desaparecer“ – verschwinden. Menschen verschwinden, angeblich spurlos. Auch die alten Kulturen verschwinden.

Den Choreografen Lukas Avendaño hat das „Verschwinden“ ergriffen, gepackt, es lässt ihn nicht mehr los. Warum verschwindet der einst übliche Begriff eines „dritten Geschlechts“? Wieso verschwand sein Bruder? „Spurlos“ sei er verschwunden, damit niemand zur Rechenschaft gezogen werden kann für das, was nicht mehr da ist, und was nun fehlt. Auch die Geschichte der Indios verschwindet, ihre Vielfalt, deren Spuren Lukas Avendaño nachspürt, auch als Choreograf seines aktuellen Stücks, „Lemniskata“.

Er feiert nun Europapremiere auf Kampnagel in Hamburg, vom 8. bis zum 10. Dezember. Es ist ein Stück für vierzehn nackte Männer. Der Kulturvermittler und Journalist Juan Levid Lázaro Nava hat den Choreografen bei seinen Recherchen begleitet. Es waren Recherchen zum Herzen des mexikanischen Machismo. „Für den Durchschnittsmexikaner“, schreibt er, ist ein weiblicher Mann „nur schwer zu akzeptieren. Noch schwerer ist für ihn allein der Anblick eines nackten Mannes. Das ist schlimmer als der einer nackten Frau.“

 

Warum „Lemniskata“ von Lukas Avendaño eine Provokation ist, und ein Kunstwerk, lesen Sie auf tanz.dance

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