Geschlechterperspektiven

„in BETWEEN us“ - ein Stück der Din A 13 Kompanie mit Mehdi Farajpour

Mehdi Farajpour und Gerda König – Choreografin und künstlerische Leiterin von Din A 13 – arbeiten mit Tänzer*innen-Trios zu Männlichkeit und Weiblichkeit im Verhältnis zu Machtansprüchen wie auch zu Vulnerabilität.

Köln , 30/06/2022

Von Pauline Michel

 

Den Bühnenhintergrund zieren mehrere transparente Vorhänge und Leuchtstoffröhren markieren den Rand der Bühne. Auf ihr sind drei Tänzer zu sehen – einer von ihnen scheint nur durch den Stoff der Vorhänge hindurch, hinter denen er entlang geht und stehen bleibt. Sie alle tragen silberfarben schimmernde Hosen und verdunkelte Sonnenbrillen, ihre Oberkörper sind nackt. Ein anderer der drei Tänzer steht am rechten Bühnenrand und hält eine Leuchtstoffröhre in der Hand. Er beginnt zu gehen und Leuchtstoffröhre wie einen Langstock über den Boden streifen und von rechts nach links zu schwingen. Mit dem Halbkreis, den er beständig vor sich malt, überquert er die Bühne und macht erst dann halt, als er mit der Leuchtstoffröhre auf den dritten Tänzer auf der Bühne trifft. Mit dem Auftreffen kommt eine Stille – für einen Moment bewegt sich nichts – dann springt Ashwin Kumar und ist schon auf dem Rücken seines Mittänzers Harun Sarikaya angekommen.

So beginnt der erste Teil von „in BETWEEN us“ – einer zweigeteilten Performance, die vergangene Woche in Köln Premiere feierte und in der Zusammenarbeit der Din A 13-Kompanie mit dem Choreografen Mehdi Farajpour entstand. Zu sehen sind sechs Tänzer*innen mit und ohne körperliche Besonderheiten. Es ist das zweite Mal, dass ein Stück der Din A 13 Kompanie mit Mehdi Farajpour gezeigt wird: Im Herbst 2021 entstand „inbetweenPOWER“ – ein Stück, welches sich Empfindungen von Angst und Bedrohungen und Fragen nach Macht in Zeiten gesellschaftlicher Veränderungen zum Thema machte. „In BETWEEN us“ knüpft daran an, stellt aber die Frage nach den Perspektiven unterschiedlicher Geschlechter in den Vordergrund. Getrennt arbeiteten Mehdi Farajpour und Gerda König – Choreografin und künstlerische Leiterin von Din A 13 – mit Tänzer*innen-Trios zu Männlichkeit bzw. Weiblichkeit im Verhältnis zu Machtansprüchen wie auch zu Vulnerabilität.

Mit dem Sprung auf dem Rücken beginnt „in BETWEEN us (masculine)“ als eine mal einfühlsame, mal spielerische, mal streng sich wiederholende Choreografie und Auseinandersetzung der drei Tänzer. Bloß anhand der dunklen Sonnenbrillen, der als Langstock benutzten Leuchtstoffröhre und Brailleschrift, die im Verlauf der Performance als Projektion gezeigt wird, lässt sich erahnen, dass nicht alle der Tänzer sehend sind. Zugleich scheint es aber für das Stück an sich nur eine nachrangige Rolle zu spielen.

Eng hintereinander, sich gegenseitig festhaltend gehen die drei Tänzer über die Bühne, ihre Füße folgen einer bestimmten Schrittfolge. Sie reichen die Leuchtstofföhre im Kreis um sich herum und wechseln die Positionen, gehen, ohne voneinander abzulassen und eng aneinandergereiht zu Boden, wo sie kurz, fast aufeinandergetürmt, liegen, um zu dritt wieder aufzustehen und den Weg fortzusetzen. Immer wieder entstehen Duette, während der jeweils Dritte nah an den Vorhängen und den auf diese geworfenen Projektionen verweilt. Mit der großen verdunkelten Sonnenbrille wirkt Ashwin Kumar dort beinahe wie ein Wächter, dessen Blicke verborgen und dessen Mimik nicht lesbar sind. Indessen teilen sich Harun Sarikaya und Damiaan Vens eine Zigarette – von Mund zu Mund – während sie sich gemeinsam über den Boden bewegen, sich gegenseitig ihr Gewicht geben, über Kopf stehen und mithilfe des anderen zurück auf den Boden gleiten. Wiederkehrend sind Bilder sich wiederholender, klar anmutender Armbewegungen: weit in den Raum gestreckt, über dem Kopf verschränkt, oder fordistischer Fließband-Arbeit ähnelnd wiederholen Damiaan Vens und Ashwin Kumar die Bewegungsabfolgen. Beim Zusehen entstehen Bilder von Disziplin, Geradlinigkeit und Rationalität und darin verborgen männliche Stereotype, gleichzeitig aber auch ein Eindruck von Anforderungen, die geschlechtliche Rollenerwartungen stellen.

Im Gespräch erzählt der Choreograf Mehdi Farajpour, „I felt we rarely go beyond this cliché of powerful men, and see of how men can be fragile, how men can be quite playful, very childish sometimes. So, I focus rather on this fragility, even when they play the powerful man”. Solidarität und Vulnerabilität rücken während des Stückes mehr in den Vordergrund und zu sehen ist eine bildhafte, ideenreiche und zugleich abstrakte Auseinandersetzung mit Männlichkeit abseits von tradierten Rollenbildern und den mit ihnen einhergehenden Erwartungen. 

Der einzige Verweis auf das vermeintlich ‚andere‘ Geschlecht im ersten Teil von „in BETWEEN us“ bleibt das Ende: Zu dritt sitzen die Tänzer nebeneinander und blicken auf das Gemälde „Der Ursprung der Welt“ von Gustave Courbet, welches auf den Stoff der Vorhänge projiziert wird. Es zeigt den nackten Unterleib, genauer gesagt, die schambeharrte Vulva einer jungen Frau und es ist zu hören, wie einer der drei zu Boden fällt. Der Augenblick bleibt denkwürdig. Ist es in diesem Stück eine von so vielen Darstellungen nackter Frauen und bloß Gegenstand von männlichen Blicken? Ist es vielleicht ein Hinterfragen dieses Blickes? Oder ist es ein Erstaunen vor einem weiblichen Unterleib und davor, dass wir alle eben durch einen solchen auf die Welt gekommen sind?

Was folgt ist der zweite, von Gerda König choreografierte Teil des Abends, der sich einer weiblichen Perspektive widmet. Er hinterlässt einen mit einem beklemmenden Gefühl, aber ebenso mit einem starken Eindruck über persönliche Konflikte und Frustration im Spiegel patriarchaler Verhältnisse und gleichzeitig eindrückliche Bilder von Erotik und Aufmüpfigkeit: Rote Schuhe stehen auf der Bühne, eine der Tänzerinnen schlägt mit ihnen und mit Widerhall auf den Boden und ruft, „I am a combat for many“. Eine andere Tänzerin liegt vor dem Publikum, schmunzelt und streicht über ihre Beinprothese. Sie nimmt sie ab und an dessen Stelle einen der roten Schuhe, den sie mit ihrem Bein weit durch die Luft bewegt, mit dem sie Ballettfiguren einnimmt und über Kopf balanciert. Am Ende liegen alle drei Tänzerinnen auf dem Boden, ihre Brustkörbe sind nach oben gereckt und ihre Füße streichen langsam und sanft ihre Beine entlang. „I am. I am one of many. I am uncomfortable. I give support”, sind Worte die einem über das Ende hinaus im Kopf bleiben.

 

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