"Swanlake" von Patrice Bart. Tanz: Liudmila Konovalova, Dinu Tamazlacaru

"Swanlake" von Patrice Bart. Tanz: Liudmila Konovalova, Dinu Tamazlacaru

Delattre rief – und alle, alle kamen

Eine Gala der Superlative zum 10-jährigen Bestehen der Delattre Dance Company in Mainz

Fünfzehn Programmpunkte, dreieinhalb Stunden Dauer, ganz viel Applaus: Ein beeindruckender Querschnitt aus inzwischen 20 abendfüllenden Programmen des Kompanieleiters Stéphen Delattre

Mainz, 31/05/2022

Keine Frage: Polina Semionova ist die berühmteste Ballerina dieses Landes. Allein ihr Auftritt im Musikvideo von Herbert Grönemeyers „Demo (Letzter Tag)“ bescherte ihr ein digitales vielfaches Millionenpublikum. Seitdem hat sie zahlreiche Preise gewonnen und Auszeichnungen erhalten, zuletzt den einer Kammertänzerin des Berliner Staatsballetts. Der weltweit gefragte Ballettstar machte Station im Mainzer Staatstheater, und nicht nur das: Zusammen mit ihrem Bruder Dmitry Semionov, ebenfalls einem international gastierenden Solotänzer, tanzte sie anlässlich einer Gala der Delattre Dance Company eine Uraufführung: Das Duett „Face my fears“, choreografiert vom Namensgeber der Company, Stéphen Delattre.

Diese emotionsgeladenen sechs Minuten machten überdeutlich klar, in welcher Liga die in Mainz ansässige neoklassische Company inzwischen spielt: ganz oben. So ganz sicher war das nicht, als der ehemalige Solist des Mainzer Ensembles vor zehn Jahren den Sprung in die Selbstständigkeit wagte. Denn neben dem choreografischen Talent braucht es dafür mindestens drei Voraussetzungen: das nötige Geld, um Tänzer*innen anzuheuern und Produktionen zu finanzieren, eine professionelle Spielstätte, und nicht zuletzt ein Publikum für den hier kreierten Tanz. Zumindest was die organisatorische und finanzielle Seite angeht, hat Delattre in seinem Partner Martin Opelt einen tatkräftigen Unterstützer, der sich im Dschungel der Tanzförderung inzwischen bestens auskennt. Dieser Tatsache ist es wohl mit zu verdanken, dass die Gala mit einem deutlichen politischen Signal eröffnet wurde: Für die notwendigen Fördermittel ist auch in Zukunft gesorgt.  

Wenn man den Begeisterungsstürmen im ausverkauften Mainzer Staatstheater glauben darf, ist Ballettpublikum in der Region reichlich vorhanden. Tatsächlich macht Delattre aus seiner Liebe zum klassischen Tanz keinen Hehl, im Gegenteil. Die sechs Ballerinen seiner zwölfköpfigen Crew sind allesamt Ausnahmeerscheinungen – und zumeist auf Spitzenschuhen unterwegs. Die versteckt Delattre, der generell auch für Kostüme und Licht verantwortlich zeichnet, schon mal unkonventionell unter Socken. Die Affinität zum Spitzenschuh und sein Händchen dafür, Tänzer*innen in ihren individuellen Fähigkeiten mit den Mitteln des Balletts glänzen zu lassen, haben Delattre vielfach Choreografie-Einladungen von großen Ballett-Ensembles eingebracht.

Aber auch im Rhein-Main-Gebiet profitiert er sicherlich davon, dass es in Frankfurt gar keine Tanzsparte am Theater mehr gibt und sich das hauseigene Ensemble „tanzmainz“ unterschiedlichsten Facetten des zeitgenössischen Tanzes verschrieben hat, in denen das akademische Tanzvokabular höchstens noch von Ferne winkt. Im Programm der Gala dagegen standen die Zeichen auf Ballett von Klassik bis Neoklassik, ergänzt durch Modern-Dance-Ausflüge. Delattre kann nicht nur switchen zwischen diesen Welten, sondern er kann sie auch verbinden – ein gefragtes Talent. So spiegelte die Gala einen beeindruckenden Querschnitt aus seinen inzwischen 20 abendfüllenden Programmen wider. Den Durchbuch beim Publikum bescherten ihm große Handlungsballette, von „Momo“ bis „Der Glöckner von Notre Dame“ oder „Alice im Wunderland“, aber auch in Themenballetten bewies er immer seine Begabung dafür, große Gefühle tänzerisch in Szene zu setzen.

Vom exzellenten Netzwerk des Company-Leiters zeugte die weitere Gästeliste: Das Stuttgarter Ballett hatte Anna Osadcenko und David Moore geschickt – natürlich mit einer Szene aus Crankos „Romeo und Julia“. Aus dem Ensemble des neuen Wiener und Ex-Mainzer Ballettchef Martin Schläpfer kam die Erste Solistin Liudmila Konvovalova, und mit Dinu Tamazlacaru reiste ein Erster Solist des Berliner Staatsballetts an. Fünfzehn Programmpunkte, dreieinhalb Stunden Dauer, ganz viel Applaus: Die nächste Dekade kann kommen.

 

Kommentare

Noch keine Beiträge