„Broken Chord“ von Gregory Maqoma

Getanzte Erinnerungskultur

"Broken Chord" von Gregory Maqoma im Festspielhaus St. Pölten

Maqomas Plan, an ein geschichtliches Ereignis zu erinnern und gleichzeitig einen Bezug zu Heute zu schaffen, geht nur bedingt auf.

St. Pölten, 23/05/2022

Von Paul M. Delavos

Ausgangspunkt zu „Broken Chord“ war für Gregory Maqoma ein Besuch der Ausstellung „The African Choir 1891 Re-imagined“. In eben dieser wurde an einen afrikanischen Chor erinnert, der 1891 nach England aufgebrochen war, um Spenden für eine technische Schule zu sammeln. Diese Tournee war so erfolgreich, dass es sogar zu einem Auftritt vor Queen Victoria kam. 

Maqoma stellt diese Reise an den Anfang des knapp einstündigen Stückes, das am 21. Mai 2022 als Premiere im Festspielhaus St. Pölten zu Gast war. Gemeinsam mit vier Sänger-Performer*innen bricht er aus seinem Heimatland nach England auf. Doch dort treffen sie nicht nur auf reine Begeisterung sondern auch auf die „Faszination des Andersartigen“ und auf Ablehnung. Der Kunstgriff, mit einem lokalen Chor zusammenzuarbeiten, lässt diese Ablehnung stärker spürbar werden. Sind es doch europäisch-weiße Sänger*innen, die den fünf Afrikaner*innen bei ihrer Ankunft ein „Go home“ entgegensetzen. Um zu beweisen, dass sie christlich missioniert sind und sich anpassen können, stimmen die Fünf das „Vater unser“ an, brechen aber doch bald wieder in ihre afrikanische Liedkultur aus. 

Im weiteren Verlauf des Stückes ist der Chor im Halbrund auf der sehr düster gehaltenen Bühne platziert – bleibt räumlich gewissermaßen außenstehend und beobachtend. Musikalisch verbindet er sich aber immer stärker mit den fünf Sänger-Performer*innen. Der Tanz kommt an diesem Abend leider zu kurz: Es ist vor allem Maqoma, der sich tänzerisch in einer Mischung aus afrikanischem und zeitgenössischem Tanz bewegt. Schon alleine wegen der geschichtlichen Erinnerung steht die Musik im Vordergrund. Das musikalische Konzept verantwortet Thuthuka Sibisi, der auch schon für die eingangs erwähnte Ausstellung komponiert hat.

In den gesprochenen und teilweise gesungenen Textpassagen, die leider akustisch nicht immer gut verständlichen waren, wird unter anderem an die Tatsache erinnert, dass Missionare nach Afrika gekommen sind mit dem Ziel, die Bevölkerung zu zivilisieren. Doch war das wirklich notwendig? Musste deswegen die Kultur der vermeintlich Wilden zu einem Teil ausgelöscht werden? Eine Fragestellung, die nicht einfach so beantwortet werden kann – schon gar nicht in einem kurzen Stück. Das wird dann aber zum Problem des Abends: Maqoma will zu viel erzählen, sich zu vielen Themen widmen. Dieser Überfluss lässt den Abend zu einem Teil scheitern, macht ihn in seinen Bildern gegen Ende auch unverständlich. Da hilft auch der Aufruf „bring back the paintings, the architecture, the manuscripts, the bodies …” wenig. 

Am Ende bleibt man mit sehr unterschiedlichen Gefühlen zurück: Man will den herausragenden Performer*innen und Sänger*innen heftig applaudieren, fühlt sich allerdings gedanklich dazu nicht unbedingt in Stimmung. Aber vielleicht ist ja auch das das Ziel des Abends: das Publikum zum Nachdenken zu bringen und anzuregen, sich stärker mit dem Kolonialisierungs- und Missionierungsthema zu beschäftigen.

 

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