Sehr persönlich, sehr unterschiedlich

Die Gala der Preisträger*innen des Stuttgarter Solo-Tanz-Theater-Festivals in der Hebelhalle

Authentische Erfahrungen und ureigene Perspektiven bildeten den roten Faden eines höchst abwechslungsreichen Programms, das den Kultstatus dieses jährlichen Gastspiels in Heidelberg einmal mehr bestätigte.

Heidelberg, 16/11/2021
Seit 25 Jahren organisiert Marcelo Santos in Stuttgart ein internationales Solo-Tanz-Theater-Festival; aus den Reihen der Preisträger*innen wird seit zehn Jahren ein Galaabend mit anschließender Deutschland-Tour zusammengestellt – mit dem Heidelberger Unterwegs-Theater als Premieren-Station. In diesem Jahr konnte das Festival nur online stattfinden. Der Galaabend in der Hebelhalle atmete daher eine ganz besondere Premieren-Atmosphäre: Die Solos wurden erstmalig live auf der Bühne gezeigt.

Drei Preisträger, drei Preisträgerinnen, sechs Herkunftsländer aus drei Kontinenten – das ergab sechs Stücke mit unterschiedlichsten Themen und Tanztechniken. Auf sehr eigenwillige Weise waren alle preisgekrönten Solos in diesem Ausnahmejahr sehr persönlich: In allen Programmpunkten wurden eigene Choreografien vertanzt – in früheren Galas war das eher die Ausnahme. Authentische Erfahrungen und ureigene Perspektiven bildeten den roten Faden eines höchst abwechslungsreichen Programms, das den Kultstatus dieses jährlichen Gastspiels in Heidelberg einmal mehr bestätigte.

Den Auftakt und einen frühen Höhepunkt bescherte die Schwedin Cassandra Arnmark (2. Preis Choreografie und 1. Preis Tanz 2020) mit „Simply something somewhere else“. Wenn man dieser Tänzerin zuschaut, bekommt die Vokabel „Bewegungsfluss“ eine neue Dimension. So wie Cassandra Arnmark Bewegungen durch ihren Körper durchleitet, scheint es nirgendwo anatomische oder technische Widerstände zu geben. Mit der hohen Kunst der Leichtigkeit nimmt sie das Publikum mühelos mit in einen Ort weit weg vom Corona-Alltag.

Arnau Pérez de la Fuente aus Spanien, Sieger der Sparte Choreografie in diesem Jahr, nutzt symbolisch eine Schallplatte für sein raffiniert angelegtes Solo „Single“. Er spürt in einem sehr modernen, urban geprägten Tanzvokabular Erinnerungen und Emotionen nach, in denen sich auch das Publikum spürbar zuhause fühlte.

Die Slowakin Eva Urbaonvá (2. Preis Chorografie und Publikumspreis) unternimmt eine poetisch unterlegte Zeitreise zu sich selbst („The Essence“) auf hohem technischem Niveau. Wenn Geovan Conceição dagegen sein Innerstes thematisiert, dann erweckt er eindrucksvoll bestürzende Gewalterfahrungen aus seiner Kindheit in brasilianischen Slums. Sein Stück heißt treffend „Fissurar“, was soviel heißt wie „Risse bekommen“.

Auch Breeanne Saxton (3. Preis Choreografie) hadert in „Legaxy xx“ mit ihrem Inneren, in diesem Fall mit den X- und Y-Chromosomen. Die Kluft zwischen angeborenem und gefühltem Geschlecht lotet sie mit ausgeklügelter Theatralik aus, ohne in gängige Klischees der Gender-Debatte zu verfallen. Tushrik Fredericks (3. Preis Tanz) fasziniert mit einer ritualisierten Performance „(territory) of the heart“, die das Herz ästehetisch überzeugend in den Mittelpunkt der tänzerischen Betrachtung stellt.

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