"No Tears Left to Cry"

"No Tears Left to Cry" von Renan Martins

Schluss mit unlustig!

Zum Tanzabend „No Tears Left to Cry” von Renan Martins im Heidelberger Zwinger

Zum ersten Mal hat Iván Pérez einem Kollegen die gesamte choreografische Verantwortung für einen Tanzabend des Dancetheatre Heidelberg im Zwinger überlassen: dem aus Brasilien stammenden, aber längst in der europäischen Tanzszene heimischen Renan Martins.

Heidelberg, 20/10/2021

Was tut der erfolgreiche junge Tänzer/Choreograf, der unter anderem schon bei P.A.R.T.S in Brüssel war und Mitglied der Company Damaged Goods/ Meg Stuart ist? Er macht Party, und was für eine!

Fünf höchst unterschiedliche Mitglieder des Heidelberger Ensembles wiegen sich anfangs im Takt einer Soundcollage des Berliner DJ Zen Jefferson minimalistisch unaufgeregt von einem Fuß auf den anderen. Coole, lässige Klamotten gepaart mit einem Hauch Glitzer signalisieren aber doch: Die Party kann losgehen. Sie fängt langsam an und steigert sich über 60 Minuten bis zum ekstatischen Rausch, Stroboskop-Blitze und Schwarzlicht inbegriffen. Der Stücktitel „No Tears Left to Cry“ ist eine Anspielung auf den gleichnamigen Song von Ariana Grande, die im zugehörigen Musikvideo gar nichts mehr aufhält, weder die Schwerkraft noch störende Wände. Zwei Tänzerinnen und drei Tänzer des Heidelberger Ensembles tun es ihr nach dem Willen des Choreografen nach – zumindest beinahe.

Das Flair perfekter Popkultur prägt die Choreografie, die von einer Botschaft getragen wird: „Schluss mit unlustig!“ Angefeuert vom passenden Clubsound – als Tänzer weiß Zen Jefferson ganz besonders gut um passendes Timing und die wirkungsvolle Dynamik – verwandeln die Fünf den Tanzboden in einen angesagten Techno-Club. Aus dem gemeinsamen Rhythmus entwickeln sich wie von selbst originelle individuelle Moves und lässige Formationen. Zwischendurch wird immer demonstrativ ins Publikum gestarrt, so nach dem Motto: “Spaßverderber raus!“. Dabei dürfen die Protagonisten auf der Bühne aber doch weit mehr Individualität entwickeln als die Ensembletänzerinnen und-tänzer in einschlägigen Choreografien für Musikvideos, und die Choreografie unterläuft zum Glück oder besser zum Beweis ihres Niveaus auch eine allzu glatte Pop-Ästhetik.

Sooo lange waren Clubs geschlossen, Partys verboten. Und jetzt wird getanzt, buchstäblich bis zum Umfallen – und danach steht man wieder auf und macht weiter. Renan Martins spart auch befremdliche Seiten – zumindest fürs Publikum – in der Techno-Ekstase nicht aus: eine Art Delirium, das zwischen fast religiöser Trance und gefährlich anmutendem Kontrollverlust pendelt. Ein Schelm, wer bei solchen Bildern an die bekannten Folgen von Aufputsch-Drogen denkt … Aber Ende gut, Party gut; das Publikum zeigte sich ebenso amüsiert wie animiert. Schließlich war schon jeder mal tanzen – wenn es die Profis zugegebenermaßen sehr viel besser können, lässt sich vielleicht doch der eine oder andere Move abschauen...

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