„Sportomania“ von Sara Angius. Tanz: Miriam Kaya und Robert Schulz

„Sportomania“ von Sara Angius. Tanz: Miriam Kaya und Robert Schulz

Tanz als Videospiel

Mit „Sportomania“ geht das Staatstheater Braunschweig direkt an die Schulen

Die neueste tanz JUNG!-Produktion bietet erneut zwei Absolvent*innen der Tanzstudiengänge der Folkwang Universität der Künste Essen und der Zürcher Hochschule der Künste Auftrittsmöglichkeit in einem Tanzstück für junges Publikum.

Braunschweig, 12/01/2020

Das Licht ist grell, blaue Matten sind als Sitzinseln im Raum verteilt, an zwei Wänden reihen sich niedrige Holzbänke und lederbezogene Kästen. Die Requisiten bestehen aus Ringen, Böcken, Sprungmatten, einer Sprossenwand und eisernen Kletterstangen. Das Ambiente erinnert nicht zufällig an eine Turnhalle, es ist tatsächlich eine.

Mit „Sportomania“ bietet die neueste tanz JUNG!-Produktion des Staatstheaters Braunschweig nicht nur erneut zwei Absolvent*innen der Tanzstudiengänge der Folkwang Universität der Künste Essen und der Zürcher Hochschule der Künste die Möglichkeit, bei der Kreation eines Tanzstückes für junges Publikum den Berufseinstieg im professionellen Staatstheaterbetrieb zu finden.

Choreografin Sara Angius bewegt das mobile Projekt auch direkt dorthin, wo sich die junge Zielgruppe befindet — an die Schulen. Als unkonventionellen Aufführungsraum für die Uraufführung hat sie die Sporthalle eines Braunschweiger Gymnasiums auserkoren und geht als Prophet zum Berg, um Kindern und Jugendlichen den Tanz näher zu bringen.

Thematisch bewegt sich das Stück in der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler. Wie in einem Videospiel, in dem Level für Level Aufgaben gelöst und Hindernisse überwunden werden müssen, arbeiten sich Miriam Kaya und ihr Kollege Robert Schulz etwa 40 Minuten lang durch den „Sportomania“-Parcours. Bewusst roboterhaft erscheinen sie zu Beginn. Schleppend und wie fremdgesteuert staksen, robben und kriechen sie durch die Halle, versuchen drollig und scheinbar ungeschickt die Böcke zu überwinden und scheitern an den sperrigen Hindernissen. Die futuristischen Kostüme unterstreichen noch die Künstlichkeit der beiden Figuren und kennzeichnen sie als Charaktere der virtuellen Spielewelt. Auch die musikalische Untermalung bleibt im Thema und verwendet Töne aus Spielekonsolen oder verfremdet bekannte Melodien zu digitalen Computerklangwelten.

Mit jedem abgeschlossenen Level steigt das Tempo, werden die Bewegungen flüssiger, geschmeidiger und waghalsiger. In der Tat verlangt die originelle Choreografie den Protagonisten einiges ab. Die die reine Tanzästhetik tritt hinter dem sportlichen Aspekt zwar etwas zurück, erfordert jedoch gleichzeitig pausenlosen vollen Körpereinsatz. Unterhaltsam, witzig und mit artistischem Geschick bezwingen die beiden Nachwuchstänzer*innen nach und nach die Turngeräte und dürfen – anders als in Tanzvorstellungen üblich – dabei auch hörbar keuchen, schnaufen und vor Erschöpfung umfallen. Auch dieser Effekt ist gewollt und zeigt dem jungen Publikum, das mitten im Geschehen sitzt und alle Aktionen aus nächster Nähe verfolgen kann: Tanz ist Hochleistungssport.

Die zweite Botschaft lautet: Einzelkämpfer kommen nicht zum Ziel, nur gegenseitige Unterstützung und Teamwork führen zum Erfolg. Und so muss Robert Schulz seine Partnerin schließlich auf seine Schultern klettern lassen, damit beide den roten Siegerwimpel hoch oben an der glatten Eisenstange erobern können. Ziel erreicht, das Tor zum Geräteraum öffnet sich, game over. Die ausgelassenen Freudensprünge am Ende der Aufführung zu Klängen der „Tritsch-Tratsch-Polka“ von Johann Strauß verbreiten ansteckende Heiterkeit im Turnsaal und belohnen das tänzerisch-akrobatische Kunststück mit langanhaltendem Applaus.

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