„Mythos Coco“; Ensemble

„Mythos Coco“; Ensemble

„Mythos Coco“

Pick bloggt über Peter Breuers neues Stück in Salzburg und vergisst dabei auch das weltbekannte Parfum „No. 5“ nicht.

Alles, was es für ein gutes Handlungsballett braucht, bringt Peter Breuer auf die Bühne. Und die ist wunderbar gestaltet von Bruno Schwengl.

Salzburg, 03/04/2016

Der Breuer und sein Ausstatter Bruno Schwengl haben es wieder geschafft einen Abendfüller zu erfinden, der nicht nur die Salzburger in Scharen ins Landestheater zieht, sondern auch mich überzeugt hat. Und es spricht durchaus nicht gegen die Produktion, dass ich während diese gute Kompanie tanzte, die nichts Provinzielles hat, darüber nachdachte, woran das wohl liegt?

Erstens ist da die Biografie der Chanel, die aus ärmlichem, kleinkriminellen Milieu stammt und es schafft eine reiche, bewunderte Frau der besten Gesellschaft zu werden, wie man es besser nicht in einem Roman erfinden könnte. Zweitens ist da Bruno Schwengl, vielleicht der beste Schüler des vor einiger Zeit verstorbenen Pet Halmen, der eine Ausstattung geschaffen hat, die Peter Breuer alle Freiheit lässt, diese vom Anfang des 20. Jahrhunderts über die Okkupation der Lieblingsstadt von Adolf Hitler bis ins Nachkriegs-Paris reichende Geschichte glaubhaft auf die Bühne zu bringen.

Das dritte große Plus dieses Stücks ist die Musikauswahl. Dass Peter sehr musikalisch ist, wusste ich schon aus der Zeit, als wir beide noch in Düsseldorf engagiert waren. Aber das ist nur die eine Sache, die andere ist, dass er stilistisch Musiken aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts in Frankreich zusammengesucht hat (Fauré, Honegger, Milhaud, Poulenc, Satie – um nur die Bekanntesten zu nennen ), die glücklicher nicht zusammengestellt sein könnten (Musikarrangement Eduardo Boechat). Einen Schlenker macht er allerdings zu Gershwin, der die Nachkriegszeit untermalt – diese Zeit hätte auch nicht passender unterstrichen werden können als mit „Ein Amerikaner in Paris“. Das ist aber noch nicht alles, er traut sich auch an „Le Sacré du Printemps" von Strawinsky, der zwei Jahre mit Frau und Nachwuchs bei Coco (nicht nur) einzog ... Und tatsächlich wird diese Kostprobe des Skandalstücks von 1913 eine so schlüssige Szene dieser Liebesbeziehung, wie sie besser kaum denkbar ist. Wenn mir das vorher jemand gesagt hätte, ich hätte mir nicht vorstellen können, dass es funktioniert.

Das Stück dauert knappe zwei Stunden und enthält alles, was man von einem Handlungsballett verlangt: gut gezeichnete Charaktere, eine nachvollziehbare Handlung auch mit Rückblenden und Figuren, die dem Zuschauer eigene Imaginationen ermöglichen, ohne dass er vorher eine Gebrauchsanweisung lesen müsste. Und vor allem eine schlüssige Choreografie, die der Truppe alles abverlangt, was sie so draufhat. Wir sehen die Coco, technisch höchst anspruchsvoll durch Freud und Leid getanzt von Anna Yanchuk, die gegen Ende in dem berühmten Kostümchen in beige aussieht, als sei sie wieder auferstanden und nicht nur das Parfum No. 5 sei unsterblich.

Ich hätte ihre beiden Doubles nicht gebraucht, aber sie ergänzen diesen Charakter mit Vitalität und Sexappeal durch Liliya Markina und Coco als Kind (Nina Daglinger), das mehrfach auch interveniert. Und nun muss ich die Männer im Leben dieser Dame erwähnen, die so zahlreich waren, dass Breuer meinte, er habe nicht genug in seinem sechzehn Köpfe zählenden Ensemble: Marian Meszaros ist ihr erster Partner von dieser langen Reihe, der bei einem Unfall umkommt, aber wie im richtigen Leben durch die folgenden kaum an Reiz zu überbieten. Ob Strawinsky tatsächlich eine so große Rolle in ihrem Leben einnahm, ist nicht wichtig, aber Josef Vesely ist glaubwürdig und so etwas wie ein Traumpartner für eine Ballerina.

Dann gibt es da den makellos gebauten Nazi, getanzt von Alexander Korobko. Besonders eingeprägt hat sich mir Otto Wotroba, der von Mademoiselle Coco und Bruno Schwengl offensichtlich mit viel Freude als Objekt der Begierde in der Rolle des Ödipus alias Jean Marais in Mullbinden ein- und ausgewickelt wird. Cocteau lässt grüßen, auch mit einem kurzen Brief auf der Rückprojektion. Der Besetzungszettel nennt zwanzig Rollen, die alle nennenswert wären, aber eine fehlt hier auf jeden Fall noch, die hervorzuheben ist: Misia Sert, eine Busenfreundin der Titelheldin, die sie in die Gesellschaft einführt und durch das ganze Stück mit vielen Schattierungen und allen Genüssen, die das Leben so bietet, wenn man es zu genießen versteht, geleitet – unvergesslich als solche, die brillante Ballerina Cristina Uta!

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