„Geliebte Clara“: David Roßteutscher (Robert), Yoko Takahashi (Clara), András Virág (Friedrich Wieck)

„Geliebte Clara“: David Roßteutscher (Robert), Yoko Takahashi (Clara), András Virág (Friedrich Wieck)

Wie geschaffen für den Tanz

„Geliebte Clara“ von Jutta Ebnother am Theater Nordhausen

Choreografisch und musikalisch klug lotet Jutta Ebnother das persönliche und musikalische Dreiecksverhältnis von Clara Schumann, Robert Schumann und Johannes Brahms aus.

Nordhausen, 23/10/2015

Sie war ein Wunderkind. Sie verehrte den strengen Vater, der ihre Begabung erkannte und sie als Pianistin, nicht ganz uneigennützig, ins Licht der Öffentlichkeit stellte. Bald schon ist die junge, 1819 als Clara Wieck in Leipzig geborene und 1896 als Clara Schumann in Frankfurt am Main gestorbene, Frau einsam. Sie vertraut sich ihren Tagebüchern an.

Ihre musikalische Begabung beschränkt sich nichts aufs Klavierspiel, bald zeigt sich auch das kompositorische Talent der jungen Clara. Sie begeistert sich für Klavierstücke, besonders die von Robert Schumann. Wahrscheinlich verliebte sie sich auch zuerst in die Musik dieses Mannes, dessen Frau sie 1840 wurde und dessen Musik sie bekannt machte. Ihren Kompositionen gegenüber war er nicht sehr aufgeschlossen. Dem Vater war die Ehe, die sie gegen dessen Willen erzwungen hatte, gar nicht recht. Es kommt zum Bruch mit der Tochter, sie leidet.

Bald sind Roberts persönliche Probleme nicht mehr zu übersehen und der Beginn seines nervlichen Zerfalls überschattet die große, romantische Liebe. „O, Du meine geliebte Clara...“, schreibt er einmal, zeigen kann er es der Geliebten immer seltener. Der junge Johannes Brahms tritt in Claras Leben, „Meine herzliebe Clara...“ wird er einmal schreiben und sein lichtes, romantisches Wesen kann Claras Leben erhellen, dieweil sich Roberts Zustand immer mehr verdunkelt. Doch sie verlässt ihn nicht, die Einsamkeit zu zweit beginnt und wieder sind es die Tagebücher, denen sich Clara Schumann anvertraut.

Dieses persönliche und musikalische Dreiecksverhältnis scheint wie geschaffen für den Tanz. Die Musik ist da, in vielen Facetten, sei es der symphonische Überschwang, die Zwiesprache zwischen Soloinstrument und großem Orchester in den Klavierkonzerten, die wir Robert, Clara und Johannes verdanken, mehr noch in den intimen und hoch sensiblen Werken der Kammermusik und natürlich in den Solostücken für Klavier. Dies alles sind Vorgaben, die wie gemacht scheinen für eine Choreografin wie Jutta Ebnother, die in ihren ausgesprochen erfolgreichen zehn Jahren als Ballettdirektorin der zwölfköpfigen Kompanie des Theaters Nordhausen immer wieder mit Handlungsballetten, die sich literarischen oder biografischen Vorgaben widmen, das Publikum zu gewinnen und zu begeistern versteht. So auch jetzt zur Premiere der Uraufführung ihrer neuen Kreation, „Geliebte Clara“, einem Ballett in zwei Teilen.

Im Mittelpunkt dieser Szenenfolge, die keinen Anspruch auf biografische Vollkommenheit erhebt, sondern geschickt biografische Sequenzen in beeindruckende Korrespondenzen zur Musik stellt, erlebt man mit Yoko Takahashi eine so sensible wie kraftvolle, vor allem aber wandlungsfähige und immer wieder anrührende Tänzerin als Clara. Nicht gänzlich ungebrochen, mit angedeuteten, tragischen Zügen des despotischen und in seinen Grenzen gefangenen Vaters, András Virág als Friedrich Wieck. Als Robert Schumann zeigt der Tänzer David Roßteutscher überraschende, neue Züge seiner Gestaltungskunst. Er vollzieht den Wandel vom jungen, verliebten Robert zum vom Wahnsinn getriebenen, völlig hilflos gewordenen Mann so charakterstark wie berührend. Jutta Ebnother hat ihm zum Allegro aus Karl Amadeus Hartmanns Sinfonie für Streicher eine regelrechte Wahnsinnsszene auf den schutzlosen Leib choreografiert. Zudem gibt es mit der exzellenten Fem Rosa Has ein zweites Ich für Robert, womit nochmals die Möglichkeiten des Tanzes als Kunst der subversiven Assoziationen zum Ausdruck kommen. Kirill Kalashnikov ist mit der technischen Eleganz seiner klassischen Bewegungen, mit weiten, in die Höhe geführten Armen, die Lichtgestalt in einer durch dunkle Gestalten gefährlich und immer bedrohlicher erscheinenden Abfolge von Szenen, für die Ronald Winter einen Raum geschaffen hat, dessen Wände sich immer wieder verengen und so zum Abbild der inneren Zustände der tragischen, um ihr Leben tanzenden Protagonistinnen und Protagonisten werden.

Der Versuchung, hier stimmungsvolle Genrebilder für die Kompanie zu kreieren, ist die Choreografin nicht erlegen. Dafür erscheinen immer wieder sieben schwarz gekleidete Gestalten. Sie konfrontieren Clara in der als Rückschau konzipierten Inszenierung mit ihren Tagebüchern. Sie sind dann aber auch die dunklen Geister der Erinnerungen und werden zu gefährlichen Gestalten, die den mit der Erinnerung aufkommenden Albträumen angehören. Getanzt wird auf neoklassischer Grundlage, immer wieder kombiniert mit harten Brüchen. Etwa dann wenn expressive Bewegungen zeitgenössischer Formen in Situationen treiben, welche die Menschen zu zerreißen drohen.

Großen Anteil am Gelingen dieses außergewöhnlichen Ballettabends hat die Musik. Bis auf die genannte, dramaturgisch begründete Ausnahme (Hartmann), eine kluge Abfolge von Werken unterschiedlicher Formate von Robert und Clara Schumann, sowie von Johannes Brahms. Markus L. Frank dirigiert das Loh-Orchester Sondershausen, um 1600 gegründet und damit eines der ältesten Orchester überhaupt, das sich besonders den romantischen Traditionen verpflichtet, was an diesem Abend auch zu erleben ist. Mit besonderer Sensibilität fügt sich das Spiel des russischen Pianisten Lev Vincour in das Klangerlebnis, zu dem auch die Mitglieder des Orchesters mit ausgewählten Stücken anspruchsvoller Kammermusik beitragen.

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