„und weil er sich dreht, kehrt der wind zurück“ von Anna Konjetzky

 „und weil er sich dreht, kehrt der wind zurück“ von Anna Konjetzky

Wie tanzt man Jerusalem?

Die Tanzinstallation „und weil er sich dreht, kehrt der Wind zurück“ der Münchner Choreografin Anna Konjetzky hatte Premiere in der Muffathalle München

Wie tanzt man Jerusalem? Wie kann man überhaupt eine Stadt tanzen? Das sind wohl die ersten Fragen, die einem in den Sinn kommen bei der neuen Arbeit „und weil er sich dreht, kehrt der Wind zurück“ der Münchner Choreografin Anna Konjetzky.

München, 17/01/2013

Wie tanzt man Jerusalem? Wie kann man überhaupt eine Stadt tanzen? Das sind wohl die ersten Fragen, die einem in den Sinn kommen bei der neuen Arbeit „und weil er sich dreht, kehrt der Wind zurück“ der Münchner Choreografin Anna Konjetzky. Entstanden durch ein mehrmonatige Recherche zur und in der Stadt Jerusalem soll die Tanz-Installation eine Art Stadtführung sein, die im abstrakten Raum, angefüllt mit Körpern und Bildern, ein Netz aus Assoziationen spinnt.

Im Halbdunkel betritt man die Halle und kommt jäh zum Stillstand. Ein Zaun, der – wie man später erkennen wird – den Polizeiabsperrungen in Jerusalem gleicht, stoppt die Zuschauer und formt sie zu einer Menschenmenge. Sie recken ihre Köpfe, um einen Blick auf das Geschehen – die sieben Tänzer – zu erhaschen. Dahinter öffnet sich ein Kunstraum aus verschieden-formatigen Projektionsflächen. In allerlei Winkeln aufgestellt, bilden sie Gässchen, Durchschlüpfe und in ihrer Anordnung doch einen weiten Platz in der Halle aus. Jerusalem in Miniatur also? Statt von einer Mauer werden die Körper, die sich zusammen gefunden haben, von meterhohen Stellwänden umgeben. Ein abstrakter Ort der Begegnung entsteht, in dem das Reale einzubrechen scheint. Denn zwischen die Rauminstallation und die tanzenden Körper schieben sich unzählige Fotografien von Jerusalem und Stadtgeräusche als akustische Elemente. Jerusalem durch den Blick Konjetzkys: Sehr plastisch machen diese Bilder Jerusalem erfahrbar. Sie sind greifbar nahe, lassen die rauen Mauern erspüren, die Enge der mit Menschen überfüllten Straßen, manchmal auch die Verlorenheit im anonymen Raum. Graffitis und Straßenschilder, übermalt oder zerfallen, zeugen von den vielfältigen Prozessen der Stadt.

Die Eindrücke sind flüchtig nebeneinander gestellt. Der Muezzin schreit, Kirchenglocken läuten. Stimmengewirr und Straßenlärm – all das bildet auch die atmosphärische Klangcollage des israelischen Musikers Emmanuel Witzthum, die in manchen Momenten einen im Dämmer versinken lässt, in den Taumel der Stadt mitreißt, Bilder im Kopf kreiert. Jerusalem, die Stadt der Weltreligionen, der Spannungen und Positionen.

Während die Tänzer Räume markieren, sich winden und wenden, folgt das Publikum zaghaft der Einladung einzutreten. Der Zaun wird beiseite geschoben, weicht in das Dunkel der Halle zurück. Doch die träge Masse bewegt sich kaum. Nicht immer ist Schauen also schon eine Aktion im Theater. Manchmal kann es eben erst mit körperlicher Bewegung ermöglicht werden. Und so versucht man sich an den anderen Zuschauern vorbei zu drücken, eine andere Position einzunehmen, um neue Blickwinkel zu erhalten.

Die Aushandlung des Raumes ist das Politische an der Tanzinstallation, die mit der Thematik Jerusalem wohl kaum nicht politisch sein kann. Ein scheinbarer öffentlicher Diskurs könnte angestoßen werden. Eine körperliche Debatte, denn die Grenzen zwischen Tänzern und Zuschauern sind völlig aufgelöst. Eine Stunde lang könnte man sich unter all den Körpern bewegen, zwischen Wänden und Lichtschneißen, projizierten Bildern und in der Sicherheit des Halbdunkels. Doch die Performer bleiben seltsam abgespalten, treten lediglich in Konfrontation mit sich selbst, nicht aber mit den Zuschauern. Intervention gegen Konvention. Man bleibt in einer eher passiven Haltung, verfolgt den Kampf um Raum und die gleichzeitig dargestellte Koexistenz.

Was ist das für ein Blick auf die israelische Stadt? Darf man politische Assoziationen haben, wenn eine grüne Schnur als Grenzmarkierung gespannt und durchschnitten wird, wenn ein Kopf eine rote Linie wie eine Blutspur über die Projektionsfläche zieht? Es sind kleine Hinweise auf eine Problematik, die tagtäglich in den Nachrichten auftaucht. Herabfallende Körper ziehen den nach Aufmerksamkeit heischenden Blick an. Dann wendet man sich wieder ab und dem nächsten Schauplatz zu.

Wie in vielen anderen Arbeiten Anna Konjetzkys ist „und weil er sich dreht, kehrt der Wind zurück“ ein Spiel mit Blicken durch Öffnungen und Einschnitte. Perspektivenwechsel auf Körper, die sich religiöse Codes und alltägliche Verhaltensmuster aneignen, sich in diesen verhaken, sie vermischen und trennen. Die Vielfalt ausstellen und doch nur einen touristischen Blick darauf gewahr werden lassen.
 

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