Liebe und Leidenschaft über den Tod hinaus

„Stürmische Höhen“ von Gonzalo Galguera im Opernhaus Magdeburg

Magdeburg, 17/04/2011

Als düster-traurige Love-Story inszenierte Gonzalo Galguera mit seiner Kompanie am Opernhaus Magdeburg das Ballett „Stürmische Höhen“ nach dem Bestsellerroman von Emily Brontë. Fast 20 Jahre nach der Uraufführung im Alhambra Theatre, Bradford erlebte das Werk von Claude-Michel Schönberg mit Erfolg nun seine späte deutsche Erstaufführung.

Die Wildheit der Moorlandschaften von Yorkshire mit den weiten Hügeln, zerklüfteten Felsen und ewigen Nebelschwaden in ihrer ganzen unheimlichen Düsterheit ist allgegenwärtig und gab nicht nur dem zur Weltliteratur gehörenden Roman von Emily Brontë seinen Namen. „Wuthering Heights“ steht auch für die Leidenschaft und Wildheit der Seelenverwandtschaft und tiefe, unerschütterlichen Liebe zwischen dem Findelkind Heathcliff und seiner Schwester Cathy. Es ist auch ein Synonym für den Hass und die Verachtung, mit der Cathys Bruder Hindley zeitlebens seinen Stiefbruder verfolgt und quält.

Mit seinen wundervollen Bühnenbildern hat Juan Leòn diese Stimmungen eingefangen. Die raue Landschaft von Yorkshire wird durch großformatige Landschaftsbilder im Stil der englischen Malerei (und an die berühmten Motive Caspar David Friedrichs erinnernd) zur „Naturkulisse“ und ist selbst im vornehmen Herrensitz von Edgar Linton und seiner schönen Schwester Isabelle immer präsent. Das schafft für die Inszenierung von Gonzalo Galguera im Stil eines „choreografischen Theaters“ ideale (Tanz)-Räume. Auch die Adaption des Romans als Ballett mit einer hinreißend schönen und dramatischen Musik von Claude-Michel Schönberg, die in vielen Sequenzen an seine Musicalerfolge „Les Miserables“ und „Miss Saigon“ erinnert und von der Magdeburgischen Philharmonie engagiert und klangschön unter der musikalischen Leitung von Pawel Poplawski gespielt wurde, bleibt der rauen Poesie der literarischen Vorlage, der Vielschichtigkeit ihrer Figurenbeziehungen einiges schuldig. Gonzalo Galguera und sein Dramaturg Michael Otto konzentrieren sich auf die leidenschaftliche Verbindung zwischen Cathy und Heathcliff, die nach schmerzvollen Erfahrungen erst im Tod ihre Vereinigung und Erfüllung findet. Die Personen um sie herum – der brutale, versoffene Bruder Hindley, der Cathy aufrecht liebenden Edgar Linton und seine, dem wilden Heathcliff verfallende und von ihm gewaltsam gedemütigte Schwester Isabella – bleiben am Rande. Wir erleben ein getanztes Kammerspiel – die Kompanie wird nur in einigen Ballszenen gefordert. Diese Verdichtung des Romans hat den Verzicht auf wesentliche Teile der Geschichte zur Folge. Nichts von der unglücklichen Ehe Heathcliffs mit Isabella nach dem Tod von Cathy und nichts von der fast krankhaften Totenverehrung Heathcliffs, seiner unstillbaren Sehnsucht nach Cathy und seinem Hass und ihrer endgültigen spirituellen Vereinigung.

Als Erinnerung an sein Leben und seine Liebe erzählt Heathcliff die Geschichte und mit der engelsgleichen Erscheinung von Cathy als Untote (unter rieselndem Schnee und in wallenden Nebel gehüllt) endet das Drama der Leidenschaft. Für den Kenner von Roman und Billy-Wilder-Film von 1939 (mit Laurence Olivier, David Niven und Merle Oberon), bleibt vieles bruchstückhaft und wenig überzeugend. Für Ballettomanen (mit obligatorischem Jubel durch den Freundeskreis Ballett Magdeburg e.V wieder reichlich vertreten) bietet der Ballettabend von Gonzalo Galguera im Solistischen herausragende tänzerische Leistungen. Kirill Sofronow tanzt einen wilden, ungestümen, von Liebe und Leidenschaft zerfressenen, zärtlichen und brutalen Heathcliff. Für ihn und die mit Eleganz und dramatischer Attitüde tanzende Veronika Zemlyakova als Cathy hat Galguera eine schwierige und mit gewagten, fast schon akrobatischen Hebungen und Verschraubungen der Körper exzessive Choreografie erdacht, die die Beiden kraftvoll und geschmeidig, emotional berührend und wahrhaftig tanzen und in Gestik und Mimik spielen. Dies gilt auch für den mit athletischer Eleganz und Noblesse in der Rolle des Edgar Linton tanzenden charismatischen Andreas Loos, der immer mehr in die Rolle eines Charaktertänzers hineinwächst. Jake Burden tanzt mit großer Energie den brutalen Bruder Hinley in seiner ganzen Verderbtheit. Als Edgars Schwester Isabella tanzt Emma Hanley Jones ausdrucksstark und mit technischer Brillanz eine Frau, die dem wilden Charme und dem Geheimnisvollen von Heathcliff von Anfang an verfallen ist und zu dessen brutalem Opfer sie am Ende wird. Mit ihr und Kirill Sofronow erlebt man in den nur wenigen gemeinsamen Szenen ein furioses tänzerisches Feuerwerk auf höchstem technischem Niveau. Wunderbar spielen und tanzen die Eleven Monique Blaszyk und Julian Stolz Heathcliff und Cathy als Kinder. Im Gedächtnis bleiben besonders aber die von Stefan Stanisic entworfenen opulenten und aufwändig gefertigten Kostüme im historischen Stil. Die freilich erweisen sich in den Ballszenen für die Kompanie auch als Handicap, weil sie die tänzerische Bewegungsfreiheit einschränken. So unpräzise und asynchron in den über die Diagonale und in Reihe geführten Schritt- und Sprungkombinationen hat man die Gruppe bei einer Premiere selten erlebt.

Das hatte freilich auf die ungeteilte Zustimmung des heftig applaudierenden Publikums im nicht gänzlich vollen Opernhaus keinen Einfluss. Ob sich das Ballett auf den Spielplänen nun erfolgreich behaupten kann, bleibt die Frage. Die Musik von Claude-Michel Schönberg als Orchestersuite hat da wohl größere Chancen!

www.theater-magdeburg.de

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