Ein Stück ohne Geist ist wie ein leeres Gefäß

„Choreographie – Handwerk und Vision“ von Konstantin Tsakalidis

Lüneburg, 26/02/2011

/img/redaktion/choreobuch.jpgChoreografie? Was ist das? 80 Prozent Handwerk, meint Konstantin Tsakalidis (Choreograf, Regisseur, Pädagoge) und liefert dazu ein auf 383 Seiten detailliert ausgearbeitetes Lehr- und Lernprogramm, „Choreographie – Handwerk und Vision“. Er ist so klug, gleich auf der ersten Seite die Grenzen des Erlernbaren aufzuzeigen: „Im Tanz wohnt ein unergründbares Geheimnis…“. Er weist auf diesen „inneren Kern“ hin, dem man mit dem Tanzen näher zu kommen versuche. Wie in den anderen Künsten Musik, Literatur, Malerei etc. geht es nicht ohne den Funken der Inspiration. Den Boden dafür will Tsakalidis bereiten mit der Fülle von 61 Studien-Abschnitten, thematisch eingebettet in elf Artikel, gefolgt von 61 Übungen. Grafiken verdeutlichen Inhalte, exzellente Fotos (Rolf Wrobel, Alf Ruge) lockern entweder atmosphärisch auf oder stellen bestimmte Aufgaben bildlich dar. Die Analyse deckt ein breites Spektrum an choreografischen Mitteln ab, mit denen sich ein Thema erarbeiten und eine Grundstruktur aufbauen lässt. Darunter fällt für Tsakalidis nicht zuletzt der fruchtbare Kontakt zwischen Choreograf und Tänzern, um das Äußerste an Motivation zu mobilisieren.

Natürlich spielt etwa der Raum eine große Rolle als gestaltendes Element neben den Bewegungen (dem Bühnenbild, der Beleuchtung, den Kostümen, den Aufbauten usw.): Im „Potenzial Raum“ (Studie 38, S. 189 ff) beschäftigt Tsakalidis sich unter anderem mit Schwerpunkten im Raum, Perspektivewechseln, Richtungsakzenten. Oder „Räumliche Bezüge innerhalb eines Arrangements“ mit Duo, Trio, Solo (S. 229, Studie 46). Letztlich führt alles zu der Frage: „Wie müssen Elemente verteilt sein, damit sich eine Spannung aufbaut, .. (S. 216). Die Auseinandersetzung zum Aspekt „Innerer und äußerer Raum“ weist auf das Problem, quasi den inneren Ausdruck des Tänzers nach außen zu bringen, was man Bühnenpräsenz nennen könnte, um auf der Bühne wirksam zu werden. Auch der Balanceakt zwischen der notwendigen Distanz, des Choreografen, um den Gesamtüberblick zu erhalten, und seiner Nähe, mit der Details gelenkt werden, kommt zur Sprache. Den dramatischen Bogen (S. 351, Übung III) behandelt Tsakalidis ebenso wie Musik und Bewegung (S. 364ff, Übung VIII). Der Wirkung auf die Zuschauer spürt er nach: Man müsse wissen (S. 59) wann die Bewegungsidee „vom Zuschauer als verstanden eingeordnet wird, und ein Konzept entwickeln, mit dem ich weitergehe“. Das geht mir zu weit, weil es den Choreografen abhängig macht vom Verständnis irgendwelcher Zuschauer und ihn von seinem individuellen Schaffen entfernt.

In der Analyse von Körperebenen und Raum(-richtungen) werden Anregungen von Labans tanzwissenschaftlichen Erkenntnissen sichtbar. Tsakalidis verweist auf Doris Humphreys „Die Kunst, Tänze zu machen“. Er wünscht sich: „Möge dieses Buch Sie inspirieren.“ Mit seiner systematischen Anleitung, sich die Grundlagen zu erarbeiten, gibt er den Choreografen, Tänzern und Performern ein praktikables Rüstzeug an die Hand. Wer sich nicht gleich das ganze Buch ohne Unterbrechung zumutet, sondern sich erst einen groben Überblick verschafft, um dann ins Detail einzutauchen, wird großen Gewinn daraus ziehen können – bei intensiver Mitarbeit und im dauernden Bewusstsein (S. 29): „Es sind mehr Dinge als Schritte im Raum, die eine emotionale Anteilnahme des Zuschauers auslösen.“ (Tsakalidis) „Choreographie – Handwerk und Vision“ von Konstantin Tsakalidis, Stage Verlag, Konstanz 2010, 29,80 Euro

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