Das Mit- und Ineinander von Tanz und Bildender Kunst

Ausstellung „Move - Kunst und Tanz seit den 60ern“ in München

Malve Gradinger, 14/02/2011

Das Mit- und Ineinander von Tanz und Bildender Kunst ist in der Postmoderne auch für ein breites Publikum zum etablierten Genre geworden. Aber wann und wo waren die Anfänge? Und was war die Motivation von Choreografen, Performance-Künstlern, Malern und Bildhauern, sich jeweils der „fremden“ Kunst zuzuwenden, im anderen Genre Verwandtschaft und Inspiration zu suchen? Antworten kann man jetzt in der von Stephanie Rosenthal kuratierten Ausstellung „Move – Kunst und Tanz seit den 60ern“ (nach der Londoner Hayward Gallery) im Münchner Haus der Kunst finden.

Den Besucher empfängt ein imposanter weißer Triumphbogen – für den Schöpfer Pablo Bronstein ein Symbol für Architektur ganz allgemein. Architektur, so Bronstein, lenkt unsere Wege – man könnte sagen: choreografiert den Menschen (was auch der Original-Expo-Titel „Move - Choreographing You“ ausdrücken möchte). Zu Barock-Musik wird das pompöse Kunstbauwerk von einer Tänzerin umtanzt. Die Bewegung, so die Absicht, soll den Objektcharakter des Kunstwerks auflösen. Auch in den anderen Sälen sieht man Tänzer in Aktion: sie balancieren zu zweit, zu dritt auf Robert Morris' quadratischer Wippe (1971/2010. In Mike Kelleys bunt möbliertem „Test Room“ (1999/2010) hüpfen und turnen sie, dabei auch laut redend, auf und um diverse Skulpturen und Sitzgelegenheiten herum.

Die ersten Arbeiten in dieser Richtung gingen in den 1960er Jahren aus der experimentierenden New Yorker Judson-Church-Gruppe hervor. Von dem kodifizierten Dance-Vokabular einer Martha Graham fühlten sich diese jüngeren Tanzschöpfer eingeengt, suchten nach neuen Formen. Man verließ den geschlossenen Theaterraum, tanzte auf Plätzen, auf Hochhausdächern, in Telefonzellen. Die neuen Räumlichkeiten, bewusst eingesetzte hindernde Objekte – wie Gerüste, Netze, auf dem Boden verteilte Kochtöpfe (siehe „The Stream“ von 1970 der großen Postmodernen Trisha Brown) – sollten den Körper herausfordern, neue Bewegungen zu finden. Man arbeitete mit Zufalls-Methoden, wie sie schon John Cage in seiner Musik anwandte. Und mit einfachen Alltagsbewegungen. In dem Maße, in dem die Grenze zwischen Kunst und Alltag verschwand, wurde auch der Nicht-Tänzer: der Zuschauer einbezogen.

Und in dieser Ausstellung darf, nein soll! der Besucher selbst physische Erfahrungen machen. Man kann sich bei eingezogenem Bauch mit Seitwärts-Schrittchen durch den neonlichtgrünen Schmalst-Korridor (1970) des Künstlers Bruce Nauman zwängen. Oder affenbehende an den Bändern und Turnringen („The Fact of Matter“, 2009) von Choreograf William Forsythe durch den Raum schwingen. Das bildnerische und das choreografische Medium gehen hier offensichtlich gleitend ineinander über.

Genau das war das Anliegen von Kuratorin Stephanie Rosenthal, „zu gucken: wo ist denn ein gemeinsames Interesse oder wo gibt es gemeinsame Themen, die Choreografen und Künstler bearbeiten: nicht zwingend, indem sie miteinander arbeiten, aber sicherlich zwingend, indem sie miteinander sprechen.“ Und man hat sich ausgetauscht, wie die 75jährige Simone Forti, Pionierin dieser Tanz- & Kunst-Verschmelzung, bestätigt: „In New York um 1960 haben sich Künstler, Maler, Musiker, Dichter und Tänzer oft gesellig getroffen. Wir haben darüber geredet, was Kunst sein könnte, über das Verhältnis zum Publikum, zu Objekten, zur Zeit. Auch wenn wir mit verschiedenen Materialien gearbeitet haben, war es ganz natürlich, dass wir ähnliche Konzepte diskutierten.“

Wer sich für die etwa 50 Arbeiten von den 25 ausgestellten Grenzüberschreitern und das kompakte Video-Archiv Zeit nimmt, auch den informativen Katalog studiert, kann sicher eine ganze Menge lernen über den Austausch zwischen Bildenden Künstlern und Choreografen. Der wissenschaftlich nicht ganz so tief schürfende Ausstellungsbesucher wird wahrscheinlich von der fehlenden Sinnlichkeit enttäuscht sein. Die von hiesigen jungen Tanzstudenten nachgestellten Bewegungssequenzen wirken aufgesetzt. Und im Museum zu zeigen, was einst neugierige Suche, was prozesshafte Avantgarde war, wirkt eben doch – museal.

bis 8. Mai. Katalog, nur in englischer Sprache, 32,- Euro

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