Gefallener Engel als Botschafter des Scheiterns

Joachim Schloemers „Engel der Verzweiflung“ im Festspielhaus St. Pölten

St. Pölten, 27/09/2010

Seit einem Jahr leitet Joachim Schloemer das Festspielhaus St. Pölten. Nun präsentierte er am Samstag zum ersten Mal ein neues Stück im Festspielhaus: „Engel der Verzweiflung“ ist ein vierteiliges Musik- und Tanztheater, inspiriert von Paul Klees Bild „Angelus Novus“ (1920), dessen Beschreibungen durch Walter Benjamin (1940) und Heiner Müller in „Der Auftrag“ (1979).

Dazu stellten Maurizio Grandinetti, diese Spielzeit Artist in Residence im Festspielhaus, und der Perkussionist Murat Coşkun eine Musikcollage aus Bearbeitungen von Kompositionen von Händel bis Stradella zusammen. Zwei Mezzosoprane, E-Gitarre, Elektronik, Fidel, Dudelsack und Perkussion ergeben einen reizvollen Rahmen (Reprise: 30. 9.).

Wie die Musik nehmen auch Choreografie und Inszenierung Schloemers Anklänge am Barock. Die Verschmelzung mit der Gegenwart gelingt, wenn auch mit einer optischen Überfrachtung mancher Szenen und einer nahezu erdrückenden Flut an Ideen.

Der Engel fungiert als Herz der Aufführung. Er durchschreitet räumliche und zeitliche Grenzen (Ausstattung: Jens Kilian). Barocke Allegorien wie Neid, Gier und Eitelkeit erscheinen als Zeitgenossen. Ihre Bewegungen werden vom Engel (Maura Morales) in Tanz umgesetzt. Fragmente und Zerrissenheit manifestieren sich sowohl in drei Tänzern als auch in sieben Musikern, die Themen wie Egoismus, Liebe und Fortschritt anschneiden.

Während die Menschen fixen Strukturen folgen, scheitern sie an der Kommunikation und in Beziehungen. Der Engel verhält sich zunächst als passiver Beobachter. Erkenntnis führt ihn zu Einmischungsversuchen, die scheitern und in seine Vereinnahmung an der Schwelle zwischen Leben und Tod münden.


www.festspielhaus.at 
Mit freundlicher Genehmigung des Kurier

 

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