Ein Leben als Tanz

Interview mit Choreograf Ralf Rossa über sein neues Nijinsky-Ballett

Halle, 15/04/2010

Seit 1998 ist Ralf Rossa Ballettdirektor und Chefchoreograf der Oper Halle. Nach Engagements als Solotänzer in verschiedenen Kompanien wurde er Assistent von Youri Vàmos. Seit 1994 war er Ballettdirektor in Dortmund, inszenierte und choreografierte dort u. a. „Le Sacre du Printemps“, „Giselle“, „Die schlecht behütete Tochter“ und zahlreiche Uraufführungen. Schon in dieser Zeit schuf Rossa zahlreiche Choreografien für Oper, Operetten und Musicals. Er inszenierte in Dortmund das Musical „Hair“ und in Oslo „Sofies Welt“. Mit seinen Choreografien an der Oper Halle machte er das Ballett Rossa überregional bekannt. Vor allem seine neue Sicht auf Klassiker wie „Schwanensee“, „Dornröschen“ oder „Giselle“, seine Ballettabende „Schlafes Bruder“, „Endstation Sehnsucht“ und „Dr. Jekyll and Mr. Hyde“ als auch Uraufführungen sowie die Ballettabende „Amadeus“ und „Peter Pan“ begeisterten das Publikum. Nun steht in seinem neuen Ballettabend mit Vaslav Nijinsky einer der bedeutendsten Tänzer des 20. Jahrhundert im Mittelpunkt. „Nijinsky – Star des russischen Balletts“ hat am Wochenende Premiere. Herbert Henning sprach in Halle mit Ralf Rossa.

Welche Beziehung haben Sie zu Vaslav Nijinsky?

Ralf Rossa: Wohl jeder Tänzer und Choreograf ist von ihm fasziniert, obwohl es ja keine authentischen Aufnahmen von ihm gibt. Sein Leben für den Tanz hat mich fasziniert. Ich habe sehr viel über ihn gelesen, mich mit seinem Leben als Star der berühmten Ballets Russes, mit seiner Beziehung zu Sergej Diaghilew beschäftigt. Die Idee, ihn in das Zentrum eines Ballettabends zu stellen, hatte ich vor zwei Jahren und seither beschäftige ich mich sehr intensiv mit ihm. Nijinsky war ein sehr charismatischer Tänzer. Mit Yann Revazov haben wir im Ensemble einen Charaktertänzer, der für die Rolle wie geschaffen ist. Für ihn wollte ich diese Rolle kreieren. Seine große Wandlungsfähigkeit, athletische Eleganz und Sprunggewalt hat er in den vergangenen Jahren als u.a. Peter Pan, Mozart im Ballett „Amadeus“ und als Joseph in dem Ballett „Josephs Legende“ unter Beweis gestellt.

Ihr neuer Ballettabend heißt „Nijinsky – Star des russischen Balletts“. Ist es auch eine Hommage an die berühmten Ballets Russes?

Ralf Rossa: Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder Ballettwerke gezeigt, die durch die Ballets Russes weltberühmt wurden. Ich habe in meinen Choreografien dabei versucht, auch die Weiterentwicklung des Tanzes in der Tradition der Ballets Russes zu zeigen. Man konnte Strawinskys „Der Feuervogel“ und „Le Sacre du Printemps“, das in der Choreografie von Vaslav Nijinsky bei der Uraufführung in Paris für einen Skandal sorgte, „Daphnis et Chloë“ und „Josephs Legende“ hier in Halle erleben. Nun also im Zentrum eines Ballettabends der Künstler, der im 20. Jahrhundert ein Stück unverwechselbare Ballettgeschichte geschrieben hat, der immer dort, wo er auftrat, für Furore sorgte, der auch durch die Zusammenarbeit mit Michail Fokine dem Ballett einen neuen Inhalt und neue Formen gab. Künstler wie Leon Bakst wurden durch seine Persönlichkeit, seinen Tanz inspiriert und sie entwarfen für das Ballett Bühnenbilder und Kostüme als wahre Kunstwerke. Vergessen wird aber oft, dass Nijinsky ein sehr grüblerischer, introvertierter, im Grunde einsamer Mensch war, oft ganz anders als die schillernden Figuren, die er im Tanz so genial verkörperte. Das Besondere, vielleicht Einmalige im Leben eines Künstlers zwischen Genie und Wahnsinn aufzuspüren, das ist das Ziel meiner Arbeit an diesem Stoff und wir hoffen sehr, dass dies auch zum Ausdruck kommen wird.

Wie erzählen Sie mit den Mitteln des Tanzes dieses Leben und welche Rolle spielen dabei die von Vaslav Nijinsky verkörperten, berühmt gewordenen Rollen und seine Choreografien, die er zwischen 1913 und 1917 geschaffen hat?

Ralf Rossa: Wie gesagt, ich habe mich sehr intensiv mit dem Leben beschäftigt, habe die veröffentlichen Tagebücher gelesen, natürlich alles das, was seine Frau Romola über das Leben ihres Mannes geschrieben hat, einige Biografien. Ich kenne natürlich John Neumeiers Ballett „Nijinsky“, wo Musik von Nikolai Rimsky-Korsakow und Dimitrij Schostakowitsch verwendet wird. Vaslav Nijinsky als Mensch, der sich eigentlich selbst genügte, der ein großer Narziss war und nur für sich, für die Bühne lebte und seine Obsessionen auch auf der Bühne auslebte, steht bei mir im Mittelpunkt. Dabei liefert die 1919 diagnostizierte Schizophrenie für meine Inszenierung einen entscheidenden Ansatzpunkt, um die Gratwanderung zwischen Genialität und Obsession eines Ausnahmekünstlers in seiner Zeit, die auch durch die Wirren des ersten Weltkriegs geprägt war, zu zeigen. Man wird tänzerisch immer wieder, auch mit Zitaten aus seinen Ballett „Jeux“, ihn mit sich selbst und mit wichtigen Personen sehen, die ihn umgeben und geprägt haben, wie etwa seine Frau Romola, Diaghilew oder Fürst Lwow. In Rückblenden wird Nijinsky in für die damalige Zeit spektakulären Rollen wie „Le spectre de la rose“ nach Musik von Carl-Maria von Weber oder „Der Nachmittag eines Fauns“ von Claude Debussy „auferstehen“.

Welche Musik verwenden Sie?

Ralf Rossa: Die Musik wird vom Band eingespielt. Natürlich wird man zu den Ausschnitten Nijinskys Rollen die Musik Strawinskys, Debussys, Schumanns, Chopins und Ravels hören. Ich habe anhand der Aufzeichnungen auch Musik der Aufführungen geforscht, in denen Nijinsky tanzte und bin dabei auf viele Lücken gestoßen. Es gibt vieles einfach nicht mehr und ich musste lange recherchieren. Musik von Feldman, Glinka, Grieg, Tschaikowsky und anderen Komponisten wird zu hören sein. Ich glaube, dass die Zusammenstellung der Musik unsere Erzählweise sehr unterstützt. Wir zeigen, auch durch die zweigeteilte Bühne, diese Zerrissenheit im Leben des Tänzers, was war er und was aus ihm wurde. Die von mir zusammengestellte Musik ist die Vorlage für meine Choreografie, die etwas Eigenständiges und, im Vergleich zu dem, was Nijinsky damals getanzt hat, Neues ist.

Sie arbeiten wie so oft mit Matthias Hönig und Götz Lanzelot Fischer, der die Kostüme entworfen hat, zusammen…

Ralf Rossa: …und das ist wirklich ein Glücksfall für diesen Ballettabend! Matthias Hönig hat einen Bühnenraum entworfen, in dem das Licht eine wichtige Rolle spielt und in dem quasi als „Einsprengsel“ die historischen Bühnenbilder zitiert oder besser gesagt angedeutet werden. Auch die Kostüme von Götz Lanzelot Fischer spiegeln den Geist der Zeit und den Geist der Figuren wieder.

Können Sie noch etwas zur Besetzung sagen?

Ralf Rossa: Yann Revazov verkörpert Vaslav Nijinsky, Michal Sedlacek den Sergej Diaghilew. Romola Nijinsky wird von Anna Vila getanzt. Als Fürst Pawel Lwow wird man Victor-Florin Pop und in der Rolle des Leonid Massine Zdenko Galaba. erleben. In weiteren Rollen tanzen die Mitglieder des Ballett Rossa.
www.oper-halle.de

 

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