Von „La Sylphide“ bis „Orchestra of Wolves“

Die Internationale Ballettgala XI

Dortmund, 27/09/2010

Ballett kennt keine Grenzen mehr. Alle Zeiten, Techniken, Stile, Musikrichtungen und Temperamente versammelten sich auf der großen Dortmunder Bühne bei der dreistündigen Internationalen Ballettgala XI, die am Wochenende vor zweimal restlos ausverkauftem Haus von Schauspieler-Sänger Hannes Brock launig moderiert wurde. Die Stimmung glich – je später, je mehr – der eines Popkonzerts. Da kann es kaum verwundern, dass die Delikatesse eines Pas de deux aus „La Sylphide“, ätherisch perfekt getanzt von Myriam Ould Braham und Emmanuel Thibault vom Ballet de l‘Opéra de Paris, und eine kurze Sequenz aus Balanchines „Tschaikowsky Pas de deux“ mit Jin Yao vom Hong Kong Ballett (wegen Verletzung ihres Partners Huang Zhen gekürzt) fast untergingen. Auch „tué“, Marco Goeckes (etwas längliche) Hommage an Caroline von Monaco und Chansonette Barbara mit der elegant-geschmeidigen Bridget Breiner vom Stuttgarter Ballett, verblasste nach Momenten - zumal in Erinnerung an Goeckes „Äffi“.

Beste Unterhaltung und zeitgemäße Neoklassik mit akrobatischem Raffinement brachten Stefania Figliossi und Phillippe Kratz (Ex-Dortmunder Ballerino) vom Aterballetto mit Mauro Bigonzettis „Händel-Variationen“ und „Ho Messo Via“ unter dramatisch über den Bühnenhimmel ziehenden Gewitterwolken zum Drive powervoller Rockmusik auf die Bühne. Schwerelos und fix wie eine Rossinische Schnellsprecharie servierte Cyrill Pierre vom Bayerischen Staatsballett München mit eloquentester Körpersprache Arsen Mehrabyans „The Weight of an Empty Room“ auf Musik von Vivaldi. Klassik (1. Satz von Beethovens „Schicksals“-Sinfonie Nr. 5) und Klamauk trafen aufeinander bei Eric Gauthiers „Orchestra of Wolves“ (ironische Verneigung vor der gleichnamigen Rockband?). Mit Entertainment pur in „Air Guitar“ stellte der kanadische Wahl-Stuttgarter sich selbst als vielseitigen (pantomimischen) Gitarristen vor. Klassische, E-Gitarre und Klampfe beherrscht er perfekt, so scheint’s. Aber seine Angeber-Show geht schließlich voll ins Auge … als eine Saite beim Stimmen des vierten Instruments reißt.

Jubel ohne Grenzen erntete wieder einmal der drahtige Australier Steven McRae vom Royal Ballet London mit einem neoklassischen Solo von Johan Kobborg, eigens für Dortmund choreografiert, und „Something Special“ - einem selbst choreografierten, flotten Stepptanz. Eine hübsche Geste von Gastgeber Xin Peng Wang waren zwei Beiträge von jungen Choreografen aus den diesjährigen Kulturhauptstädten Istanbul und „Ruhr“: den romantischen Pas de deux „Sakura“ des Türken Can Arslan tanzten Dortmunds Erste Solisten Monica Fotescu-Uta und Mark Radjapov, das rasante, fröhliche Quartett „Pulse“ vom Dortmunder Ensemble-Mitglied Vanessa Carecci die kokette Jelena Ana Stupar und ihre drei Dortmunder Kollegen Sergio Carecci, Andrei Morariu und Philip Woodman.

Xin Peng Wangs gastgebende Kompanie präsentierte sich in technischer Bestform mit Ausschnitten aus Wang-Balletten, wobei das witzige Quartett aus „Mozart“ und die Ersten Solisten Monica Fotescu-Uta und Mark Radjapov mit stupender Technik und sympathischer Ausstrahlung begeisterten. Risa Tateishi beeindruckte in dem neuen Solo „Not Knowing the Ropes“, ebenso auf Musik von Michael Nyman von Wang eigens für dieses Programm choreografiert wie das etwas farblose Kompanie-Finale „Wheelbarrow Walk“.

Fast hätte sich der Publikumsrenner Ballettgala auf der Zielgeraden der elften Folge verstolpert. Glücklicherweise räumten die Ballettfreunde und andere großzügige Sponsoren den Stolperstein „Finanzlücke“ im letzten Moment aus dem Weg. So ist Hoffnung, dass auch die Folgen XII und XIII dieser etwas anderen, für das Verständnis des Facettenreichtums modernen Balletts so sinnvolle Gala im Oktober stattfinden können. 


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