Die (allzu) Vielgeliebte

„Marilyn“ von Peter Breuer und Andreas Geier als Dancical am Landestheater

oe
Salzburg, 20/02/2010

Die 17. (!) Vorstellung des Balletts über Marilyn Monroe, das am 18. Oktober 2009 Premiere hatte, und über das Karl-Peter Fürst im tanznetz am 14. Dezember berichtet hat. Ein gut besuchtes Haus, das Publikum eher zögerlich mit Zwischenapplaus, dafür aber am Ende – eben: nicht enden wollend! Der Zweiteiler als Dancical, wenn es je so etwas gegeben hat, über Hollywoods Sex-Ikone, die doch nur einen einzigen Wunsch hatte: „I want to be loved by you!“ – bloß dass der oder die „you“ eben allzu viele waren. Und sie alle passieren Revue in diesem Stück, das Filmsequenzen und Theaterszenen geradezu abenteuerlich miteinander verlinkt, in denen Marilyn gleich mehrfach auftaucht – mit Norma Jeane Baker als das einfache Mädchen, das sie so gern gewesen wäre, mit ihrer Mutter und Dutzenden von amerikanischen und globalen Girls, die alle wie sie sein wollen, immer noch, auch über ihren Tod hinaus, und mit den Heerscharen von Männern, die angeben, sie zu lieben, und die doch nur das Eine von ihr wollen. Und sie alle haben Peter Breuer als Inszenator und Choreograf, und Andreas Geier als Autor und Dramaturg in den Rahmen dieser Produktion gestellt, mit Franz-Josef Grümmer als Musik-Arrangeur (unter Benutzung all der Schlager, die mit Marilyn verbunden sind), mit Dorin Gal als Ausstatter des Filmstudios mit zahlreichen Spiegelwänden und Scheinwerfern und mit den Video-Einspielungen von Thomas Zengerle.

Zustande gekommen ist so ein Theaterabend, der mit seinem bunten Stilmix bis zum Bersten mit Energie aufgeladen ist, vor allem aber mit Tanz und nochmals Tanz, so dass sie alle ihre Rollen und individuellen Soli kriegen, die sie mit Karacho über die Bühne jagen, so dass ich mit dem Zählen der beteiligten Tänzer überhaupt nicht mehr mitkam, weil sie sich ständig in anderen Kostümen präsentieren. Wobei ich allerdings bei den Randfiguren à la „MM Show“ und „MM Sugar“, bei Clark Gable, Robert Kennedy, Paula Strasberg und Billy Wilder Schwierigkeiten hatte, zu identifizieren, wer denn nun wer war.

Nicht so bei den Hauptrollen: bei Anna Yanchuk, die als Marilyn die ganze Tragik der Figur auslotet (so dass ich mir wünschte, Breuer möge eines Tages die Blanche Dubois in „Endstation Sehnsucht“ für sie choreografieren), bei Kristina Kantsel als Norma Jeane quasi als Marilyns Alternative vor ihrer Filmkarriere, nicht bei den Männern à la Josef Vesely als ihr Psychiater Ralph Greenson, der hilflos ihrem Zerfall zusehen muss und ihn doch nicht aufhalten kann, bei Marian Meszaros als Arthur Miller, der einen wunderschönen Pas de deux mit ihr tanzt, und der ihr doch nicht beistehen kann, als sie sich als braves Hausmütterchen versucht, oder bei Alexander Korobko, der als Joe DiMaggio mir wie ein anderer Tiger Woods erschien.

Welch ein Ensemble von Tänzerpersönlichkeiten, sie alle engagiert und temperamentvoll von ihrer jeweiligen Rolle Besitz ergreifend! Habe ich zehn, zwanzig, zwei Dutzend Tänzer gesehen? Stets vergaloppierte ich mich, wenn ich sie zu zählen versucht habe, denn Breuer verfügt über die Gabe, ihre reale Erscheinung virtuell zu vervielfachen! Und so wurden es zweimal fünfzig Minuten einer mit elektrisierender Spannung aufgeladenen Vorstellung. Von einem Choreografen, der nicht nur sein Handwerk aus dem Effeff beherrscht, sondern darüber hinaus bei den großen Dramatikern des Welttheaters seine Lektion gelernt hat. So spannend kann Ballett sein! Nein, es ist nicht so, dass das abendfüllende Erzählballett tot ist, wie es uns ein paar Kollegen lustvoll einzureden versuchen. In Salzburg beweist Peter Breuer seit zwanzig Spielzeiten das Gegenteil – sehr zum Dank des Publikums!

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