Zum Tod José de Udaetas

Der Inbegriff des spanischen Tanzes

oe
Stuttgart, 16/09/2009

Sind die Neunzig die letzte Hürde eines Tänzerlebens? Gerade neulich erst ist Merce Cunningham wenige Wochen nach seinem neunzigsten Geburtstag gestorben. Und jetzt ist ihm, nachdem wir ihn noch am 27. Mai zu seinem Neunzigsten gratuliert haben, José Udaeta gefolgt. Und hatte doch bereits sein Flugticket für Stuttgart in diesen Tagen in der Tasche. Doch dafür reichten seine Kräfte nicht mehr. Und so stehen wir voller Trauer an der Bahre dieser großen Tänzerpersönlichkeit, die ein gutes halbes Jahrhundert lang für uns der Inbegriff des Spanischen Tanzes war. Voller Trauer, ja – aber doch auch voller Dankbarkeit für all die wunderbaren Begegnungen an so vielen Orten, in so vielen Ländern, die wir mit ihm hatten – in den Theatern und Studios und fast regelmäßig hinterher in der Kantine oder in irgendeiner Kneipe oder Bodega. Denn er war über die Jahre zu einem treuen Freund geworden, der, hatte er einmal erfahren, dass wir zufällig in der gleichen Stadt waren, sofort anrief, um eine Verabredung zu treffen. Und was waren das für Abende!

Und da kommt mir wieder einmal zu Bewusstsein, was uns alles inzwischen verloren gegangen ist: die frühen Auftritte im Berlin der fünfziger Jahre, die Anfänge der Sommerakademie in Krefeld und Mönchengladbach und vor allem natürlich die Sommerakademie-Glanzzeiten in Köln (was für ein Trauerspiel, wenn wir heute in der Abo-Ankündigung der Kölner Oper für 2009/10 gerade mal fünf Vorstellungen vom Nederlands Dans Theater, dem Aterballetto, von Hubbard Street Dance Chicago und der „Sutra“-Produktion von Sidi Labi Cherkaoui und den Shaolin Mönchen sehen). Ganz zu schweigen von den Erinnerungen an die sommerlichen Wochen bei ihm an der Costa Brava und natürlich auch an die Tanzwochen bei den Braig-Witzels in Stuttgart-Zuffenhausen, das in seinen späten Jahren zu einer Art zweiten Residenz dieses iberischen Granden geworden war. Was war er denn nun? Der Generalkonsul des Spanischen Tanzes oder einer aus dem alten Geschlecht der spanischen Conquistadores, der die Herzen all derer erobert hat, die ihn jemals haben tanzen sehen? Und dort hat er sich seinen Platz gesichert, dem ihm auch über seinen hundertsten Geburtstag hinaus niemand streitig machen wird.

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