Ungezwungen durch die Küchen des Tanzes

Das TanzTheater München zeigt eine Aids-Gala mit gut durchdachtem Programm

München, 06/12/2009

Aus dem Dunkel kommt ein Mann im Paillettensakko nach vorne. Hardy Rudolz, Musicaldarsteller und diese Spielzeit als Professor Higgins am Gärtnerplatztheater zu sehen, ist der Conférencier der dritten Münchner Aids-Gala. Seine Erscheinung ist imposant und exklusiv, sein Moderationsstil liebenswert und kosmopolitisch. Er gibt erst mal „All that Jazz“ zum besten – was hervorragend zu einem Programm passt, das in diesem Jahr hochwertiger ist als im letzten, dem Publikum aber trotzdem eine gewisse Ungezwungenheit erlaubt.

Vom tänzerischen Standpunkt ist eine Wohltätigkeits-Gala vor allem eine gute Gelegenheit, Dinge zu zeigen, die man sonst nie sehen würde. Dessen ist sich Hans Henning Paar, Chef des TanzTheaters München und Initiator des Abends, bewusst. Sein größter Coup ist in dieser Hinsicht wohl, den Hiphop in die Sphären der hohen Tanzkunst aufzunehmen. Was man gar nicht genug loben kann! Denn der Noch-Straßentanz ist reich an Schrittvokabular und Pantomime, muss neben Ballett und Modern Dance keineswegs zurückstecken. Die Ensemblenummer, die Studenten des zweiten und dritten Ausbildungsjahres der Iwanson-Schule zeigen, lässt das dank einer sanften Musikauswahl auch das reife Publikum erkennen. Doch Paar holte auch das Besondere und das Exotische auf die Bühne: Berührend in der Gestalt des jungen, gehörlosen Tänzers Antonio Polito, erstaunlich als 80er-Jahre-Retro-Choreografie aus Ungarn. Es wurde in fremde Küchen gespitzt. Was machen die Nachbarn in Berlin und Dresden? Corinne Verdeil und Rainer Krenstetter, ein amerikanisch angehauchtes Paar, gaben mit Uwe Scholz‘ „Die Schöpfung“ die Antwort für die Staatsoper unter den Linden; die Solisten Elena Vostrotina und Oleg Klymyuk mit ihrem stattlichen Schwanensee-Pas-de-Deux diejenige für die Semperoper.
Galas sind aber auch ein Anlass für unverhoffte Wiedersehen. Zum Beispiel mit Hans van Manens „The old man and me“, nach unzähligen Malen immer noch tief berührend getanzt von Ivan Liska, Direktor des Bayerischen Staatsballetts, und Kammertänzerin Judith Turos. Oder mit Denys Cherevychko. Der Solist der Wiener Staatsoper sprang noch vor wenigen Jahren so ungezügelt durch die Matinee der Heinz-Bosl-Stiftung, dass er fast den rückwärtigen Vorhang mitriss. Inzwischen hat er sein Maß gefunden und meistert Vakil Usmanovs „Istambul 1920“, die wohl beste Darbietung des Abends.

Ebenfalls richtig: Bei einer Gala kann man bringen, was man will, es ist doch immer „Schwanensee“, das die Zuschauer von den Stühlen reißt. „Ich möchte auch mal eine Strumpfhose tragen“, sagt danach sogar der schmunzelnde Hardy Rudolz. Doch bei dieser Aids-Gala hatten Odette und Siegfried wirklich ordentliche Konkurrenz. So darf es in den kommenden Jahren weiter gehen.

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