Ungelenke Unterhaltung

Die Gruppe Nature Theater of Oklahoma zeigt ihr Tanzstück „Poetics: A ballet brut“ im HAU1

Berlin, 21/11/2009

Mitte der 1960er Jahre schufen die amerikanischen Postmodernisten Choreografien, die nur aus Alltagsbewegungen bestanden. So wollten sie nicht nur gegen die ideologische Zurichtung des virtuosen Tänzerkörpers ankämpfen, sondern auch den Begriff des „Tanzes” an sich grundsätzlich erweitern.

Ein ähnliches Verfahren wenden nun rund 40 Jahre später die ganz offensichtlich nicht tanzgeschulten Akteure der europaweit gehypten New Yorker Performancetruppe Nature Theater of Oklahoma an. In ihrem Stück „Poetics: A ballet brut” lungern zunächst drei Männer und eine Frau vor einem geschlossenen roten Bühnenvorhang herum. Keiner von ihnen wirkt besonders sportlich oder durchtrainert. Im Gegenteil: Weder den tätowierten Riesen mit dem Walrossbart, noch die untersetzte Brünette mit dem Kindergesicht könnte man sich zunächst anders vorstellen als peinlich berührt ins Publikum blickend. Aus ihren gesammelten Übersprungshandlungen – ein Bein über das andere schlagen, die Hände hinter dem Nacken kreuzen, an einem Becher Kaffee nippen usw. – entwickeln die vier in der Folge eine Reihe von Tanzsequenzen zu Klassikern der Popgeschichte, die in ihrer Ungelenkheit durchaus erheitern.

Immer wieder werden die gleichen Gesten wiederholt – mal solo, mal als Gruppenstück – und stets mit dem befremdeten Gesichtsausdruck von Leuten, die im Grunde niemals tanzen wollten. Immer mehr steigert sich die Bewegungswut, immer exzessiver bewegen sich die getanzten Sequenzen in Richtung MTV oder Musical: Da werden laszive Posen eingenommen und T-Shirts ins Publikum geschleudert, bis plötzlich der Vorhang aufreißt und das gesamte Theater voller tanzender Menschen ist. Zu aller Letzt werden dieselben Bewegungsbausteine noch einmal von einer waschechten Ballerina im klassischen Gestus wiederholt.

„Poetics” ist vor allem ein unterhaltsamer Abend, der dem im Programmheft formulierten Anspruch, sich mit den Mechanismen der Theatermaschinerie auseinandersetzen zu wollen, allerdings nicht gerecht wird. Da haben sich in den vergangenen vier Jahrzehnten schon einige andere weitaus tiefer gehende Gedanken gemacht.


 

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