Klassik ist die DNA des tänzerischen Ausdrucks

Ivan Liska feiert das 20jährige Bestehen des Bayerischen Staatsballetts

München, 03/05/2009

Die Zahl 20 ist in der Karriere des gebürtigen Pragers Ivan Liska nicht ohne eine gewisse Bedeutung: 20 Jahre war er prominenter Solist in John Neumeiers Hamburg Ballett. Heuer kann er das 20jährige Bestehen des Bayerischen Staatsballetts feiern, das er als Nachfolger von Staatsballettgründerin Konstanze Vernon seit 1998 leitet. Und irgendwie schließt sich für ihn auch ein Kreis, denn von 1974-77, noch vor Hamburg, war er Solist im Ballett der Bayerischen Staatsoper.

Redaktion: Herr Liska, welche Ziele haben Sie erreicht?

Ivan Liska: In meiner Zeit die mehrteiligen Choreografen-Porträts zu Jiri Kylián, John Neumeier, Mats Ek und Hans van Manen. Ein dramaturgischer Coup, der jeweils einen Überblick über jahrzehntelanges Schaffen dieser Künstler bot...Aber vor allem die Akzeptanz des Publikums. Es gab berechtigte Bedenken, William Forsythes postmodern neoklassisches „Limb's Theorem“ in München zu bringen. Und dann konnten wir es sogar am 25. Dezember spielen! An Weihnachten, wo man generell Lieblicheres präsentiert.

Redaktion: Modern wird bei Ihnen groß geschrieben. Und die Klassik...

Ivan Liska: ...wird nach wie vor eine Säule bleiben. Sie ist eine Art DNA des tänzerischen Ausdrucks. Selbst bei Forsythe wird klassisch trainiert. Und wir haben ja auch eine ganze Spielzeit dem großen Marius Petipa gewidmet, fünf seiner Abendfüller getanzt. Ich bin stolz darauf, dass wir das nicht nur geschafft, sondern es „gelebt“ haben. Das habe ich von meinem großen Lehrer John Neumeier gelernt: es liegt an dem Interpreten selbst, wie seriös er sich einlebt in die jeweilige Rolle, egal jetzt welche Zeit und welcher Stil es ist. Darauf verwenden ich und meine Ballettmeister die größte Energie, die Tänzer anzuregen, über sich selbst nachzudenken und selbstverständlich auch über die Werke.

Redaktion: Wie sind Sie in diese Rolle des Coachs hineingewachsen?

Ivan Liska: Meine erste Einstudierung hier war Neumeiers „Kameliendame“. Eingemischt habe ich mich dann auch schon bei den Crankos, also bei Balletten, die ich ebenfalls bereits bei Neumeier selbst getanzt habe. Ich war eigentlich gerüstet, was Interpretation und physische Anforderung einer Rolle betrifft. Ich konnte mich auch psychologisch einfühlen. Aber weil ich betont Wert lege auf Ensemble-Denken, gab es zu Beginn ein paar Clinchs. Einige Solisten haben erwartet, das man das Repertoire um sie herum baut, wollten schon im voraus wissen, was sie in der nächsten Spielzeit tanzen. Das konnte ich nicht, weil ich die Besetzung unseren Gastchoreografen überlassen möchte.

Redaktion: Da sind wir aber schon bei Ihrer Funktion als Ballettchef. Die war ja doch 1998 ganz neu für Sie. Was haben Sie gelernt?

Ivan Liska: Geduld....Was ich gelernt habe, ist, dass wir nicht „Vereinte Nationen sind“. Unsere Tänzer kommen aus 31 verschiedenen Ländern. Die Standpunkte sind da sehr verschieden. Natürlich soll sich jeder Tänzer verwirklichen. Aber er muss begreifen, was für ein Ensemble wichtig ist: ein Neumeier, ein Kylián u n d ein Balanchine, ein moderner Saburo Teshigawara u n d ein klassisches „Dornröschen“. Stücke eben auch, die das gesamte Ensemble beschäftigen. Viele Tänzer verstehen das, sie können aber nicht über ihren eigenen Schatten springen. Dann muss man mit den Tänzern reden – auch mal vier Stunden.

Redaktion: Konstanze Vernon hat 1989 mit ihrem „Staatsballett“ die Unabhängigkeit von der Staatsoper erreicht. Ihr Ziel ist jetzt die Ballettintendanz...

Ivan Liska: Es ist ja eine Tatsache, dass es mehr neue Werke im Tanz gibt als im Musiktheater. Dem sollte Rechnung getragen werden. Sprech- und Musiktheater können vielleicht politischer sein. Aber in einer Welt, wo so viel geredet wird, verlieren Worte auch Aussagewert. Und ich denke, dass wir mit Tanz eine Dimension bieten, die alle verstehen. Die Entwicklung in Deutschland ist so, das sich mehrere Ballett-Intendanten etabliert haben. Zu Recht. Sie machen ihre Arbeit gut. Und dann haben sie auch eine gleichberechtigte Position verdient.

Redaktion: Aber es wäre nur ein Titel, also eine rein formale Sache...

Ivan Liska: Schon – aber dennoch eine Anerkennung des Geleisteten in diesen 20 Jahren. Und angesichts der aktuellen Weltwirtschaftskrise wäre es auch eine Absicherung. Wer weiß, wie sich alles entwickelt.

Redaktion: Und keine Budgeterhöhung?

Ivan Liska: Bis 2003 waren wir vom Freistaat finanziell gut ausgestattet. Danach mussten wir die gestiegenen Lohn- und Materialkosten aus dem Künstler-Etat decken. Wenn wir das Nationaltheater bespielen möchten, mit sagen wir 12 verschiedenen Produktionen pro Jahr, dann muss man auch etwas bieten. Es wurde mir vom vorigen Finanzminister Erwin Huber für das 20jährige Jubiläum eine leichte Erhöhung des Staatsballett-Haushaltes versprochen. Ich harre der Antwort... Und ich bin Optimist.

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