„C’est la vie! Chansons als Spiegel der Zeit“

Neues Tanzstück von David Williams und Tarek Assam mit der Tanzcompagnie Gießen

Gießen, 22/11/2009

„C’est la vie!“ So ist das Leben. Damit verbinden wir französische Lebensart unter dem Motto „Nimm’s leicht, auch wenn’s schwer fällt.“ Tarek Assam, Direktor der Tanzcompagnie des Stadttheaters Gießen, wählte dieses leicht beschwingte Motto für das zweite Stück dieser Saison, das traditionell auf der kleinen Bühne stattfindet (Theater im Löbershof, TiL). In bewährter Manier hat er wieder einen Gastchoreografen eingeladen, der hier den größeren Teil der Inszenierung übernahm, wie Assam zuvor bei der Pressekonferenz sagte. David Williams ist nach Jahren als Tänzer am Staatstheater Braunschweig seit 2007 freischaffender Choreograf. In Gießen war er nicht zum ersten Mal: als der gebürtige Australier 1991 nach Deutschland kam, war das Stadttheater seine Anlaufstation (damalige Leitung: William Anthony) und er war vor zwei Jahren im Rahmen der TanzArt ostwest in Gießen.

Französische Chansons bilden die musikalische Basis des Abends. Doch nur wenige Klassiker sind dabei wie Chansons von Edith Piaf und die beliebten Valses Musettes, die Tendenz geht eher zu aktuellen Stücken bis hin zum Punkrock. Der Untertitel des Stücks lautet dementsprechend „Chansons als Spiegel der Zeit“. Die Erzählung dreht sich um das Treffen von fünf Freunden in einem Café, die ebenso in Erinnerungen schwelgen wie über Aktuelles diskutieren. Die Begrüßung ist überschwänglich bis aufgedreht, sie passiert zu einem freundlichen Valse Musette. Der Übergang ist unvermittelt, der Musik- und Stimmungswechsel fast bedrohlich: aggressive Musik, entschlossene Mimik und eindeutige Gesten bringen das Thema Revolte in den Pariser Vorstädten emotional aufgeladen ganz nah ans Publikum heran (Musik: „Au Marché des Illusions“ von Babylon). Dietlind Konold schuf ein schlichtes Bühnenbild in Schwarz: Bistrotisch und -stühle in einer Ecke, eine variable Wandnische, die mal Schaufenster, mal Telefonzelle ist, eine Glühlampenkette hängt quer über die Bühne. Variables Mobiliar wie eine Wartebank und Stühle auf Rollen, Weinflaschen und Erdnüsse sind mehr als bloße Dekoration, sie haben eine Funktion in der Erzählung, die aus Einzelszenen voll menschlicher Dramatik besteht.

Das Anliegen von David Williams ist es, Individuen mit emotionaler Präsenz auf der Bühne zu zeigen, nicht Tänzer, die perfekt die vorgegebenen Schrittfolgen nachvollziehen. Das gelingt in diesem Stück mit großer Intensität dank der guten Zusammenarbeit und dadurch, dass das zwar kleine, aber erfahrene Gießener Ensemble gut zusammen arbeitet und einander offensichtlich vertraut. Vor allem bei den sehr körpernahen Szenen ist es erstaunlich, wie weit sie gehen, etwa bei der Umsetzung von sexuellem Begehren. Das darstellerische Niveau von allen Beteiligten ist beeindruckend und verschmilzt mit der tänzerischen Umsetzung zu einem gelungenen Ganzen. Einige Szenen sind disparat über die Bühne verteilt, andere finden sehr konzentriert an einer Stelle statt. Es gibt stimmungsvolle Gruppenbilder, etwa die überschäumende Champagnerlaune im Bistro oder das unruhige Warten auf einer Bank in einem fiktiven Bahnhof. Es gibt auch zauberhafte Duette (Obrocki/Peters) und eindrucksvolle Soli. Dazu kommt, bei allem Ernst der Darstellung, subtiler Witz, der ständig präsent ist und sich an überraschenden Stellen Bahn bricht. Bei der Premiere tanzten: Antonia Heß, Svende Obrocki, Magdalena Stoyanova, Eoin Mac Donncha, Meindert E. Peters. Das Gießener Publikum spendete lang anhaltenden und begeisterten Applaus.

Nächste Termine: 29. November und 13. Dezember.

www.stadttheater-giessen.de

www.tanzcompagnie.de

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern