Pädagoge und Tanzmanager

Martin Puttke – Ballettdirektor in Essen, 1995-2008

Essen, 01/05/2008

Grußworte, Würdigungen, Dankadressen, Briefe und viele, viele Fotos sind auf 80 Seiten zwischen zwei Buchdeckeln vereint zum Abschied von Martin Puttke als Essener Ballettchef. Das Repertoire mit 43 Programmen in 13 Jahren reicht von Petipa und Minkus über Jooss und Cranko bis zu Jochen Ulrich, Mario und Sylvana Schröder, Daniela Kurz, Birgit Scherzer, Christian Spuck, Ralf Dörnen und Richard Wherlock. Puttke selbst hat kein einziges Ballett choreografiert.

Aber wie deutlich das „aalto ballett theater“ dennoch seine Handschrift trägt, zeigt die Auswahl der von ihm geladenen Choreografen, zeigen die Stücke und vor allem die 165 Tänzerinnen und Tänzer, die auf der großen Bühne des Aalto-Theaters standen – als Gäste Margaret Illmann, Marina Antonova, Iana Selenko, Gregor Seyffert und Jörg Simon, im Ensemble Raimondo Rebeck, Mario Perricone, Brit Rodemund und seit Jahren bis heute Taciana Cascelli, Ludmila Nikitenko, Tamás Ottych und Marat Ourtaev. Allesamt sind sie „Visitenkarten“ (so eine Serie von gala-ähnlichen Programmen in den ersten Jahren) auch des gebürtigen Breslauers, der sich als souveräner Tanzmanager weit über das „Revier“ hinaus einen hervorragenden Namen machte, aber vor allem als leidenschaftlicher Pädagoge internationale Wertschätzung genießt und seine Kompanie sozusagen mit eigener Hand geformt hat.

Jahrgang 1943, wurde Puttke als Flüchtling mit seiner Familie nach Bayern verschlagen, besuchte später in Dortmund das Gymnasium und begann schließlich sehr spät, 1961 als 18-Jähriger, seine Ausbildung zum Tänzer an der Staatlichen Ballettschule in Ost-Berlin. Berlin wurde Puttkes künstlerische Heimat. Als Direktor der Staatlichen Ballettschule knüpfte er internationale Kontakte, gewann er europäisches Ansehen. Horst Koegler nennt ihn in seinem Porträt einen „Ballettmann, der heute bereits das Europa von morgen verkörpert“. In Vorträgen und Seminaren vermittelt Puttke die selbst weiter entwickelte Methode seines russischen Lehrers, Nikolai I. Tarassow, dessen Lehrbuch („Klassischer Tanz – Die Schule des Tänzers“ bei Henschel) er ins Deutsche übersetzte. Mit geradezu sprichwörtlicher Unermüdlichkeit und Eloquenz setzt er sich als Sprecher der Bundesdeutschen Ballett- und Tanztheaterdirektoren Konferenz (BBTK), Vorstandsmitglied im Deutschen Berufsverband für Tanzpädagogik sowie in der Gesellschaft zur Förderung des Zeitgenössischen Tanzes für den Tanz in Deutschland ein.

Sein Herz schlägt als Lehrer im Ballettsaal. Auch in Essen blieb Puttke Entdecker junger Talente und wurde zum „gnadenlos“ strengen Lehrmeister seiner eigenen Kompanie. Regelmäßig lud er Studenten und Absolventen von Akademien, etwa aus Arnhem, Prag, Stuttgart, Berlin und Essen ein, als Hospitanten erste Bühnenerfahrung beim „aalto ballett theater“ zu sammeln - oder auch ihr erstes Festengagement „auf Probe“ anzutreten. Eine vorbildlich disziplinierte, vielseitige Truppe zog er sich so heran, über deren Qualität, Disziplin und Arbeitseifer viele Gäste ins Schwärmen geraten, zum Beispiel Jochen Ulrich („Diaghilew - Die Favoriten“, „Die roten Schuhe“). Er würdigt das Essener Repertoire der Ära Puttke als „von Beginn an solide“ und hebt die „fulminante Besetzung“ etwa der „Brüder Karamasow“ von Boris Eifman hervor.

Puttke selbst meldet sich in diesem Buch nur indirekt zu Wort: auf einem der Schnappschüsse trägt er ein schwarzes T-Shirt mit weißer Aufschrift: „Ich bin nicht alt – ich bin ein Klassiker“, und zu Beginn des Buches sagt er mit drei typisch temperamentvollen, jungenhaften Porträtfotos von Bettina Stöß „Auf Wiedersehen“. Denn dass für Martin Puttke mit dem Rentenalter nicht der Ruhestand beginnt, ist gewiss. Am 27. Juni verabschieden Essen und das Aalto-Theater ihren beliebten Ballettchef mit einer Gala. Martin Puttke – Ballettdirektor in Essen, 1995-2008.

Erhältlich im Aalto-Theater und allen Vorverkaufsstellen der Theater- und Philharmonie GmbH (TuP), Essen, für 12 Euro.

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