Eine Notlösung, aber: Sie war es!

Daria Sukhorukova als neue Nikiya in „La Bayadère“

München, 24/06/2008

Für die vierte Vorstellung der Serie hatte Ivan Liska erfreulicherweise das Debut Ilia Sarkisovs geplant, eines Schülers des vor kurzem verstorbenen Alexandre Prokoffjew an Münchens Ballettakademie/Heinz-Bosl-Stiftung, der zum Tod seines hochverehrten Lehrers gesagt hatte: „Er hat mir mein Leben als Tänzer gegeben!“ und schon oft durch seine exzellent geschliffene Dynamik auffiel. Als Goldenes Idol nun erreichte der junge, leidenschaftlich arbeitende Gruppentänzer zwar noch nicht die spektakuläre Dimension seiner Kollegen Alen Bottaini oder Tigran Mikayelyan, zeigte sich aber mit präzisem Formbewusstsein, blendender Technik und bereits beachtlicher Präsenz voll in deren Spur, sodass man ihm mehr solcher Gelegenheiten zu wachsen nur wünschen kann.

Ungeplant dagegen war das Debut von Daria Sukhorukova, die vorzeitig von einem Gastspiel zurückkehren und sich für die verletzte Lucia Lacarra mit nur zwei Probentagen in die Münchner „La Bayadère“-Version von Patrice Bart hineinfinden musste. Die anderen Münchner Nikiya-Alternativen wären die langzeitverletzte Lisa-Maree Cullum oder Ivy Amista, die allerdings gerade in Australien gastiert. So kam eine von allen Seiten mutige Maßnahme zum Tragen und endete mit einem Triumph.

Überraschend nicht, weil die St. Petersburgerin mit schönen Füßen, langgliedriger, schöner Linie und starker Technik alle Voraussetzungen für eine so zentrale Partie des klassischen Repertoires mitbringt, wohl aber weil sie ihre Gaben an diesem Abend mit der nötigen kontinuierlichen Körperspannung, guter Musikalität, klugem Rollenspiel und natürlicher Spontaneität frei von Nervosität dezent zur Geltung brachte! Auch mit wohlgestalteten Port de bras die weitgehend makellose Form innerlich erfüllend, beherrschte sie, emotional aus sich herausgehend, ausdrucksstark die große Linie und verlieh so der Gestalt ihrer Titelrolle nicht nur Würde, sondern auch Lebendigkeit.

Getragen wurde ihr Debut durch die geschlossene Leistung eines durch die besondere Situation zusätzlich motivierten Ensembles, in dem die solistischen Partien bis auf Gamzatti (Roberta Fernandes) weitgehend identisch wie bei der Wiederaufnahme besetzt waren. Marlon Dino aber, der erst zum zweiten Mal den Solor an Nikiyas Seite tanzte, bewährte sich erstmals ohne Lucia Lacarra als Partnerin. Offensichtlich klug und ambitioniert arbeitend, zeigte er sich in Fußschnelligkeit und Dynamik stark verbessert, verlieh seinen Sprüngen klare Akzente, statt großflächig durch die Luft zu segeln, und war mit seiner imposanten Statur schließlich als starker und ruhiger Partner, künstlerisch überzeugend, in seinem Element. Zu guter Letzt verkörperte Peter Jolesch mit seinem dramatischen Kabinettstück als Großer Brahmane den Gegenpol zu all den jungen Leuten. – Dass trotz so vieler Ausfälle so kurzfristig eine so begeisternde Vorstellung gegeben werden konnte, bewies, wie gut die Kompanie des Bayerischen Staatsballetts personell aufgestellt ist.

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