In der vordersten Reihe nicht nur der Europäischen Ballett-Union

Die 34. Nijinsky-Gala

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Hamburg, 14/07/2008

Von Nijinsky ist außer dem Titel in der nunmehr 34. Auflage der Hamburger Ballett-Gala lediglich der Name übriggeblieben. Über fünf Stunden währte das Finale der diesjährigen Hamburger Ballett-Tage. Die Balanchine-Lektion der Tugend des Weglassens hat John Neumeier auch in seinem 35. Jahr als Hamburger Ballettchef noch nicht gelernt. Sehr zu Dank seines Publikums offenbar, das wohl auch sechs Stunden mühelos verkraftet hätte.

„Wortlose Dramen“ verhieß der Untertitel. Doch ganz ohne Worte lief der Abend denn doch nicht ab. Dafür sorgten schon die ausführlichen Kommentare der dreizehn Piecen des Programms durch den Hausherrn selbst. Hinzu kam, als Hommage an den vor einem halben Jahr verstorbenen Maurice Béjart, dessen 1984 für Marcia Haydée und Neumeier kreiertes Duo-Drama „Die Stühle“ nach Ionesco, das Neumeier an diesem Abend mit einer seiner Hauptsolistinnen, Joelle Boulogne, selbst interpretierte – so schauspielerisch eloquent, als bereitete er sich auf seine nächste Karriere vor.

Doch Béjart war nicht der Einzige, der an diesem Abend geehrt wurde. Balanchine (mit den „Diamanten“ aus seinen „Juwelen“), Cranko (mit der „Legende“ von 1972 und dem Abschieds-Pas-de-deux aus „Onegin“) und Wainonen mit der „Flamme von Paris“ (Jahrgang 1932) hießen die anderen Toten, die hier ihre tänzerische Wiederauferstehung feierten – daneben der gottlob noch total Untote J. N. mit Ausschnitten aus seinen in den letzten dreißig Jahren entstandenen Balletten – und als jüngste Kreation ein nicht sonderlich belangvoller Prokofjew-Pas-de-deux von Christopher Wheeldon. Mit Gästen aus Moskau, San Francisco, Paris, München und Stuttgart erwies sich Hamburg einmal mehr als eine Drehscheibe des internationalen Ballettbusiness – wobei der Verzicht auf die eigentlich gala-obligatorischen „Giselle“-, „Schwanensee“-, „Dornröschen“- und „Don Q“-Petits fours ausgesprochen angenehm auffiel.

Es gab sogar eine Wertsteigerung. Dafür sorgte Marijn Rademaker als Gast aus Stuttgart, der den Tadzio in Neumeiers „Tod in Venedig“ tanzte – zusammen mit Lloyd Riggins als Aschenbach. Und mit seiner hoch differenziert psychologischen Interpretation dieser Rolle die Fehlbesetzung der Uraufführungsversion korrigierte. So dass man sich wünschte, Neumeier würde die Arbeit mit ihm fortsetzen (denn an diesem Abend gab es natürlich nur einen Ausschnitt aus dem Abendfüller, der in seiner dramatischen Dringlichkeit tatsächlich zu jenem „wortlosen Drama“ wurde, das der Untertitel versprach.

Im Übrigen erwies das (über-)reich bestückte Programm mit den diversen Neumeier-Beträgen (unter anderem aus „Lieder der Nacht“, „Vierte Sinfonie von Gustav Mahler“ und „Die kleine Meerjungfrau“) einmal mehr, dass die Hamburger Truppe nicht nur in der Europäischen Ballett-Union in der vordersten Reihe tanzt.

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