Bernd Schindowskis großes Herz (nicht nur) für kleine Kinder

Ein „Nussknacker“ für die ganze Familie

Gelsenkirchen, 11/03/2008

Kein deutscher Choreograf hat ein so großes Herz für kleine Kinder wie Bernd Schindowski. Der gebürtige Hagener ist seit 30 Jahren Ballettchef an Gelsenkirchens Musiktheater im Revier. Seitdem löste er in nahezu jeder Spielzeit sein 1978 gegebenes Versprechen ein: „Ballett Schindowski tanzt für Kinder“. Mit Paul Dukas' „Zauberlehrling“ zog er die Kleinen und nicht minder ihre Eltern, Omis und Opas zuerst in den Bann und dozierte im „Vorprogramm“ über die Tanzgeschichte. Aber ganz und gar nicht westfälisch dröge ging der einstige Tänzer (u.a. am Tanzforum Köln und als Solist in Ulm) und studierte Tanzpädagoge das an, sondern bei aller Kompetenz mit Witz und Schalk in Choreografie und Musikwahl.

Strawinskys „Springteufel“ und „Serenade für vier Elefanten“ (in Paul Hindemiths Bearbeitung) folgten, Darius Milhaud' „Erschaffung der Welt“ und „Kaleidoskop“ auf Musik von Phillip Glass u.a. in kindgerechter Erzählweise – dazwischen immer wieder durchaus ernst gemeinte, aber pfiffige Plaudereien aus dem Nähkästchen von Theaterleuten, zum Beispiel mit der köstlichen Orchester-Vorstellung „Wenn die Instrumente tanzen“ oder „Standbein – Spielbein“ und „Knochenhart“. Seit 1997 ergänzt die ebenso populäre Serie „Heavy Music – Cool Love“ für und mit Jugendlichen die Ballette für Kinder.

Schindowskis hochkarätige künstlerische und pädagogische Arbeit brachte dem heute 60-Jährigen 1980 den Förderpreis des Landes NRW ein. Seit 1989 bezuschusst das Bundesland Schindowski „wegen seiner modellhaften Bühnenleistungen, besonders für Kinder und Jugendliche“. Zum Silberjubiläum des „Ballett Schindowski“, 2003, verlieh das Land NRW dem sympathischen, bescheidenen Tanzmacher seinen „Verdienstorden“, mit Sicherheit auch für sein Gesamtwerk von nahezu 100 Choreografien – darunter eine berückende „Winterreise“ lange bevor „alle Welt“ sich auf Schubert und Zender stürzte, Bachs „Johannespassion“ und Brahms' „Deutsches Requiem“ vor den meisten Bach- und Sakral-Balletten anderer Choreografen, das sensible Tschaikowsky-Ballett „Nur wer die Sehnsucht kennt“ und „Das Kriminelle Kind“ untermalt von Jean Genets gleichnamigem Text anstelle von Musik.

Jetzt hat Schindowski seine Bearbeitungen von Ballettklassikern wie „Coppelia“, „Feuervogel“ und „Cinderella“ mit dem schönsten aller Ballette für Kinder, Tschaikowskys „Nussknacker“, fortgesetzt. Der Erfolg der 100-minütigen Aufführung im Kleinen Haus ist so groß, dass die Weihnachtsgeschichte vorerst bis zum Mai auf dem Spielplan bleibt. Die Nachmittagsvorstellungen am Wochenende „für die ganze Familie“ sind ebenso ausverkauft wie die Schülervorstellungen morgens. Kein Wunder. Schindowski und seine langjährigen Ausstatter Manfred Dorra (Bühne) und Andreas Meyer (Kostüme) fahren alles auf, was die Fantasiewelt zu bieten hat. Nur schade, dass die Bühne so klein ist und beim Gewusel der Weihnachtsmarktbesucher und -verkäufer, die ihre Waren in roten Einkaufswagen über den „Rummelplatz“ schieben.

Die ruhigsten Szenen sind am schönsten – allen voran die Schneeflocken mit ihren weißen Pudelmützen, der grandiose Auftritt der Schneekönigin (Alina Köppen), der kleine Pas de deux des Nussknacker-„Prinzen“ (Min-Hung Hsieh) mit seiner Prinzessin (Klara-Double auf Spitze: Yasuko Mogi, die auch eine entzückende „kleine Maus“, die dralle Köchin Frida und Zuckerfee mimt). Völlig natürlich jungenhaft kommt Takashi Kondo als frecher Fritz daher, während Priscilla Fiuza die Klara zwar hervorragend tanzt, aber ihre „Kindlichkeit“ ziemlich dick auftragen muss. Hinreißend sind die Puppen, die „Onkel Drosselmeyer“ - der nimmermüde Kobold im Ballett Schindowski, Rubens Reis - aus seiner riesigen Geschenkbox zieht, wunderbar Eisbär Knut in Lebensgröße und als Kuscheltier, herrlich Schneemann und Ratten – und als besonderes Bonbon, das den meisten Szenenapplaus einheimst: die Nationaltänze!

Eingespielt wird Tschaikowskys Musik (leider klanglich unbefriedigend) in einer Aufnahme mit dem Royal Concertgebouw Orchestra Haarlem unter Antal Dorati – eine atemraubend fetzige Performance. Da bleibt schon beim Zuhören kaum Zeit in den winzigen Zäsuren zwischen den Nummern, nach Luft zu schnappen. Diese Hektik und das kunterbunte Gewusel in manchen Szenen sind aber wirklich alles, worüber man die Nase rümpfen könnte. Was man aber tunlichst bleiben lassen sollte. Denn Bernd Schindowskis großes Herz (nicht nur) für kleine Kinder ist einzig in der deutschen Ballettlandschaft.


Link: www.musiktheater-im-revier.de

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