Beethovens Prometheus-Ballett in Gelsenkirchen

Pas de deux zweier Titanen

Gelsenkirchen, 16/10/2007

Ballettchef Bernd Schindowski traut sich an eine gigantische Aufgabe: er hat für seine 15-köpfige Truppe und ein Dutzend Statisten Beethovens eigentlich untanzbares Ballett „Die Geschöpfe des Prometheus“ choreografiert. Der Komponist verdankt seinen Titel „Titan“ ausgerechnet diesem ungeliebten Auftrag von Maria Theresia. Der Lieblingsmusiker der Kaiserin sollte die Musik zu einem Ballett des italienischen Ballettmeisters am Wiener Hof, Salvatore Viganó, über den mythologischen Titan Prometheus komponieren. Die Uraufführung dieser „Huldigung auf die Macht der Musik und des Tanzes“ (1801 in Wien) bedeutete für Beethoven den Durchbruch.

Aber sein Prometheus-Ballett geriet bald in Vergessenheit. Erst im 20. Jahrhundert versuchten sich so renommierte Choreografen wie Ninette de Valois (London), Tatjana Gsovsky (Berlin), Erich Walter (Düsseldorf) und Frederick Ashton (Bonn) an der spröden Komposition, die eigentlich nur eine Folge von musikalischen Nummern mit meist sehr wenig geschmeidigen Rhythmen ist. Dabei bietet sich das antike Thema von Prometheus, der die Götter überlistet und ihnen das Feuer raubt, um es seinen Tonfiguren eines Menschenpaares als Lebensatem zu bringen, eine ideale Basis für ein Handlungsballett. Zudem besitzt die „Huldigung“ als Chiffre, dass wirkliches menschliches Leben sich nur durch das Erlernen der Künste erfüllt, wahrlich aktuelle Brisanz. Leider bleibt Schindowskis Choreografie gerade in dieser Hinsicht eine heutige Interpretation weitgehend schuldig. Nur die mehr als karge Beleuchtung – abgesehen von den schrillen Götterszenen zur Ouvertüre und im Finale - deutet auf den Untergang. Der Prolog spielt à la Offenbach auf dem Olymp, wo die Götter sich hemmungslos vergnügen. Glitzer und Glamor beherrschen das Ambiente (Bühne: Manfred Dorra). Spärlich beschürzt oder in transparenten Rokoko-Röckchen (Kostüme: Andreas Meyer) stellt die Lustgesellschaft lasziv provokant sehr viel Fleischeslust zur Schau.

Prometheus – reichlich bieder im durchsichtigen, gestreiften Pyjama: Takashi Kondo – durchbricht den lodernden Feuercordon und kehrt mit einer Fackel zu seinen Geschöpfen (Priscilla Fiuza und Min-Hung Hsieh) zurück. Das Urmenschen-Paar tapst ungelenk durch die Welt, gibt sich als linkische Eleven der Musen der Musik (Xiang Li) und des Tanzes (Yasuko Mogi), von Tragödie (Alina Köppen) und Komödie (Marika Carena). Die pure Lebenslust – personifiziert durch Gott Bacchus (Rubens Reis) und Waldgott Pan (Yun Liao) - siegt. Das zärtliche Menschenpaar flieht aus Prometheus' Fängen. Der schaut dem Debakel deprimiert tatenlos zu. Im Finale treiben die Götter ihre Lustspiele auf der Drehbühne wie zuvor. Die Neue Philharmonie Westfalen begleitet unter der Leitung von Bernhard Stengel sehr zuverlässig.
 

Weitere Vorstellungen im Musiktheater im Revier: 19. Okt., 11. und 17. Nov. Karten: 0209-4097200.

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