Ballett-Uraufführung in Magdeburg

„Steps2Beethoven“

Magdeburg, 02/10/2008

Der Titel der Eröffnungspremiere des Ballett Magdeburg ist in seiner Doppelsinnigkeit gut gewählt. Chefchoreograf Gonzalo Galguera kombiniert zwei Tanzschöpfungen, die als Schritte zu Beethoven verstanden werden können. Den zweiten Teil bildete die 2001 für das Dessauballett entstandene und nun überarbeitete „7. Sinfonie“, die - obzwar mit viel Verve getanzt - jedoch choreografisch und in Hinblick auf Kostüm und Bühne beliebig und äußerlich wirkt.

Die große positive Überraschung ist die Uraufführung! Es sind Gonzalo Galgueras sich behutsam aus zwei Paaren entwickelnde „Nachtgedanken“ für Solistenensemble, die als eine Zäsur im Schaffen des engagierten kubanischen Chefchoreografen anzusehen sind. Inspiriert von der intimen Atmosphäre des 1799 komponierten Streichquartetts F-Dur op. 18 Nr. 1 schreibt diese Choreografie ein sehr dichtes Poem über Sehnsüchte, die Andersartigkeit jedes Menschen und die schwierige, nur temporäre Fähigkeit zu menschlicher Nähe. Voller Nuancen buchstabieren die eindrucksvollen Solisten mit jeder Bewegung in diesem intimen und hochkonzentrierten Rahmen ein getanztes Gedicht. Der Zauber und die philosophische Dichte erwächst aus den unzähligen, teils winzigen Abweichungen, den Verzögerungen, den Details in den Arrangements von Frauen und Männern.

Durch die vier Sätze des frühen Streichquartetts (live auf der Bühne gespielt) jagen Menschen im ewigen Fluss des Lebens, im Wechsel der Stimmungen voreinander davon, aufeinander zu oder scheinen in sich selbst hinein zu hören. Der rumänische Kostümbildner Dorin Gal schenkte den Protagonisten exquisite streng geschnittene Kreationen, die die beredte Plastizität der Bewegungssprache voll unterstreichen: die Frauen unisono in dunklen langarmigen Bodys und engen Röcken, die Männer unisono in schwarzen Samthosen und ebenso figurbetonten transparente Shirts. Alle sind getrieben vom unterschiedlichsten Sehnen zwischen Erfüllung und Zerfall, suchend nach und flüchtend vor Zärtlichkeit, ratlos im Moment des Verlustes. Dieses neue Tanzstück ist so komplex, dass es zum mehrmaligen Sehen und Mitfabulieren einlädt. Gonzalo Galguera und seinem Solistenensemble gelingt mit dieser Uraufführung in der Tat ein bemerkenswerter Schritt zu Beethoven und in das Herz denkender und fühlender Zuschauer.

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