13. Internationales Flamenco-Festival

Tanz mit dem Schleier

Berlin, 15/08/2008

Das dritte Berlin-Gastspiel von Increpación Danza aus Barcelona brachte als Höhepunkt der 2. Festivalwoche die deutsche Erstaufführung von „Sarab“ (Fata Morgana, uraufgeführt 2005). Die junge Kompanie und ihre künstlerischen Leiter Montse Sánchez und Ramón Baeza haben im Dialog mit marokkanischen Künstlern die arabischen Traditionen weiblicher und männlicher Lebenswelten erforscht und eine tänzerische Reise zu den orientalischen Wurzeln des Flamenco unternommen.

Ein Schleier trennt anfangs fünf Frauen und zwei Männer auf der Bühne. Zu traditioneller Musik aus Marokko (leider vom Band) beginnt sich ein verführerisches Kraftfeld zu entfalten. Der melodische Wechselgesang und die energetische Spannung der Musik der Berber werden durch die Füße, Stimmen und Trommeln der Tänzer rhythmisch potenziert. Die Frauen, am Beginn mit Kopftüchern und in Körper-verhüllenden Hosen und Mänteln, spielen mit Trommeln, die sie wie leuchtende Sonnen um sich kreisen lassen. Vor dem Schleier hingegen erregen sich zwei Männer in weiten Sporthosen, T-Shirts und Wollmützen im wechselseitigen Dialog der Beine und Arme. Ein Mann rollt einladend vor die Füße des anderen, wird gehoben, sie belauern sich und ihre zitternden Körper spielen einen erotischen Flirt. Die jungen Frauen stehen separat eng im Keil hinter dem Schleier und der schlagende Rhythmus ihrer Stimmen und Trommeln peitscht das Solo eines Mannes bis zum finalen Höhepunkt trippelnder Fußekstase. Frauen als Echo männlicher Sexualität. Dann fällt der Schleier. Eingehüllt und von warmem Licht umschmeichelt beginnen die Schönen, nun in engen armlosen Brokatoberteilen ohne Kopftuch und Mantel, mit Kastagnetten wie in einem funkelnden Edelstein zu tanzen. Vier Frauen halten den Schleier und geben der verhüllten Solistin Raum ihre sinnliche Körperlichkeit in einem kraftvoll erotischen Solo auszuleben. Der Zauber erlischt abrupt, als ein Mann im Shirt unter den Schleier kriecht, in ihre Lebenswelt einbricht, die verschleierte Frau wie ein gewichtloses, teures Möbelstück hebt und auf seinen Schultern abträgt, während sie ihre Hand leicht auf die eigene Brust schlägt.

Diese knisternde Spannung des Mittelteils verflüchtigt sich im belanglosen Finale. Mit offenen Haaren drehen, springen nun alle Akteure im gesamten Bühnenraum. Das choreografische Crescendo des befreiten Miteinanders bleibt hingegen merkwürdig distanziert, ohne emotionale Brücken zum Publikum. Die Tänzerinnen und Tänzer aus Katalonien scheinen gesichtslos wie hinter einem Schleier.
„Sarab“ - der sinnliche Titel verspricht eine trügerische Luftspieglung. Das einstündige Tanzstück überzeugt in Musik, Licht und Kostüm, zerfällt hingegen in seiner spannungslosen Dreiteilung und wirkt befremdlich in der kühlen Distanziertheit seiner Interpreten.

 

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