Ein Soupçon von brasilianischem Karneval

Balé Da Cidade de São Paulo im Ludwigsburger Forum

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Ludwigsburg, 10/03/2007

Achtunddreißig Tänzerinnen und Tänzer, langbeinig hochgewachsen, rassig, sexy, sprühend vor Lebenslust, die mit brasilianischem Temperament über die Bühne des Ludwigsburger Forums preschen; kein Wunder, dass das Publikum beim Gastspiel des Balletts vom Theatro Municipal de São Paulo schier ausflippte. Zuletzt hierzulande vor ein paar Jahren im Festspielhaus Baden-Baden zu sehen, gibt sich die Kompanie unter neuer Leitung mit inzwischen weitgehend ausgewechseltem Personal so multi-ethnic wie es die Herkunft ihrer Choreografen und Tänzer vermuten lässt.

Annonciert als „eines der besten, wenn nicht das beste Tanzensemble Südamerikas“, halten wir uns nach dem Eindruck ihrer drei in Ludwigsburg gezeigten Ballette doch lieber an ihre Selbstanzeige als „eines der besten“ Ensembles, schließlich gibt es dort auch noch eine Stadt namens Rio de Janeiro, die nicht weniger stolz auf ihre diversen Kompanien ist. Drei Stücke also: von dem portugiesisch-armenisch-irakischen Gagik Ismailian „Dualidade@br“ für vier Männer und drei Frauen zu Fados, gesungen von Amália Rodrigues, von dem Brasilianer Jorge Garcia „Divinéia“ für sieben Tänzer und einen Rabeca-Spieler (das ist eine Art von Bauern-Fiedel) und von dem ja auch im Repertoire des Stuttgarter Balletts („Hikarizatto“) vertretenen israelisch-holländischen Itzik Galili „A linha curva“ für die ganze Kompanie zu live gespielter Musik der vier Schlagzeuger des holländischen Percossa-Ensembles.

 Übrigens haben sie auch ein Ballett von Mauro Bigonzetti in ihrem Repertoire. Was für ein Nationalitäten-Mix! Entsprechend gemixt sind die choreografischen Zutaten: Iberoamerikanisches natürlich, inlusive Samba, Funk, Hip-Hop, portugiesische Saudade, nordamerikanische Jazz- und Show-Routine, moderne Klassik à la Nederlands Dans Theater und israelische Moderne à la Graham, Folkloristisches aus aller Herren Länder. Ständig hin und her gerissen zwischen Melancholie und Liebe. Viel Akrobatik und Bodengewusele. Reihen- und Formationstänze, die sich immer wieder neu gruppieren und durcheinander marschieren, ohne dass es je zu Zusammenstößen käme. Besonders lieben sie atemberaubende Sprung- und Fangakte. Und das Spiel mit Requisiten, seien es aus dem Schnürboden regnende Rosenblätter, seien es Aschenbecher, seien es Stühle, seien es tellergroße Scheiben, die ihre Blößen bedecken. Das Ganze in schummerig-schwüle Beleuchtung getaucht. Linienpräzision ist nicht unbedingt ihre Sache. Eher kommt es ihnen auf perfektes Timing an, was natürlich auch bei ihren Wurf- und Fangakten überlebensnotwendig ist. Hätten sie am Ende einen Sonderflug zum Karneval nach São Paulo angeboten, die Maschine wäre wohl augenblicklich ausgebucht gewesen!

 

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