Von der Sprache zum Tanzstück

Ein Interview mit Angela Schubot und Martin Clausen von „Two Fish”

Berlin, 21/09/2007

Vor nunmehr sieben Jahren begannen der Schauspieler und Alexander-Technik-Lehrer Martin Clausen und die Tänzerin und Choreografin Angela Schubot ihre Zusammenarbeit unter dem Namen „Two Fish”. In wechselnden Projekten und Besetzungen entwickeln die beiden seither aus dem Zusammenprall von Sprache und Bewegungsmaterial Stücke in denen sprachlicher Hintersinn auf extrem körperliche Fragestellungen trifft. Gestern hatte ihre neuste Produktion, das Duo „Progressive negative capability”, Premiere in den Berliner Sophiensälen. Kurz nach Probenbeginn Anfang August sprach Frank Weigand mit Angela Schubot und Martin Clausen über neue Arbeitsweisen, offene Strukturen und die Notwendigkeit, langjährige Arbeitsbeziehungen immer wieder zu überprüfen.

Was bedeutet der Titel „Progressive negative capability”?

Martin Clausen: Einer meiner Alexander-Technik-Schüler hat nach einer Stunde seinen Zustand mit einem Zitat des Dichters Keats beschrieben, in dem es um „negative capability” geht, einem Zustand, in dem man nicht genau weiß, wo man ist, das aber trotzdem gut findet. Einer Art Zusammenkommen von Empathie und Widerstand. Wir bauen auf diesen Begriff auf. „Progressive” haben wir es genannt, weil wir versuchen wollen, tiefer in die Suppe zu steigen, im Sinne einer sich absichtlich zugezogenen, fortschreitenden Krankheit.

Hat sich da schon eine Arbeitsweise herauskristallisiert?

Angela Schubot: Wir versuchen zum ersten Mal, von der Sprache als Dramaturgie und Basis auszugehen. Was für einen Körper kann man dann unter die Sprache drunterlegen? Wie kann beides eine Eigenständigkeit behaupten? Wie kann eine Überlagerung performt werden und herausgefunden werden, wie durch Sprache soziale, intime oder vom Körper losgelöste Räume entstehen und umgekehrt? Also eigentlich zu sagen: Wie kommt man von der Sprache zu einem Tanzstück?

Martin Clausen: Sonst haben wir immer gesagt, jetzt suchen wir Texte, jetzt suchen wir Bewegungen. Und dann kommen da die Texte und da die Bewegungen – und dann kann vielleicht einer, während er sich bewegt, auch den und den Text machen. Das war sonst getrennter. Und jetzt haben wir überlegt, dass wir nach Übergängen suchen wollen, wenn man anfängt zu sprechen, oder aufhört, sich zu bewegen, oder umgekehrt.

Das Stück ist ein Duo für euch beide. Ist diese intime Form eine Reaktion auf eure letzte Produktion „Sixpack vs. Festival”, wo eine Vielzahl anderer Künstler beteiligt war?

Martin Clausen: Wir haben seit 2002 kein Stück mehr zusammen entwickelt, bei dem wir gemeinsam auf der Bühne standen.

Angela Schubot: Bevor wir wieder ein Gruppenstück zusammen machen, war es wichtig, zu gucken: Wie interessiert man sich gerade füreinander? Wann versteht man den anderen noch? Oder geht es dem anderen gerade um etwas ganz anderes? Wir sagen jetzt nicht: Die nächsten 50 Jahre heißt es auf jeden Fall Martin Clausen und Angela Schubot. Es ist wichtig, immer wieder zu sehen: Möchte man das noch, oder in welcher Form?

Auf eurer Website tauchen etliche andere Künstler als „Leute” unter dem Label Two Fish auf. Was seid ihr denn jetzt? Eine Gruppe, ein loses Kollektiv?

Angela Schubot: Das weiß man selber auch nicht so genau. Eigentlich würde ich sagen: Es ist halt, was es ist. Wir haben schon immer als Two Fish unterschiedlich zusammengearbeitet, und das auch in ganz unterschiedlichen Formaten. Und das ist dann alles auch Two Fish. Two Fish ist nicht immer nur, wenn Martin und ich sagen, wir machen ein Stück, wir heuern Leute an, Martin macht die Texte und ich kümmere mich dann um die Bewegung. Das stimmt ja überhaupt nicht mehr.

Wie ist es denn, nach so langer Zeit wieder so unmittelbar zusammen zu arbeiten?

Martin Clausen: Für mich ist dieses Zu-Zweit-Sein ein Vorrücken ins Unbekannte. Viel stärker als wenn du mit vielen Leuten probst und natürlich auch versuchst, neue Sachen zu entwickeln, aber eben mit Hilfe seiner Arbeitsweisen, die man so mitbringt. Und jetzt, wenn man so zu zweit ist, ohne andere Leute, dann ist es nochmal stärker so, dass diese ganzen Arbeitsweisen alle wieder zur Disposition stehen.

Der Text erschien ursprünglich in TanzRaum Berlin, Ausgabe 09/10 07 Two Fish, Progressive negative capability, sophiensäle, 20. bis 23.September, 20 Uhr Am 20. und 21. Oktober wird das Stück im Rahmen des Festivals „fabrikationen” in der Tanzfabrik noch einmal in Berlin gezeigt.

 

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