Wenig Neues aus der Neuen Welt

Die Philadelphia Dance Company auf Europa-Tournee

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Fürth, 25/03/2006

Zum ersten Mal in Fürth! Dort gibt es ein Stadttheater der anheimelnd altmodischen Art (740 Plätze). Das hat kein eigenes Ensemble, steht Produktionen eher lokaler Provenienz zur Verfügung und bietet ein abwechslungsreiches Programm in verschiedenen Reihen, darunter auch zwei Tanzabos. Die scheinen sich ausgesprochener Beliebtheit zu erfreuen, wie mir verschiedene Besucher versicherten, so dass für die kommende Spielzeit sogar eine dritte Serie angekündigt wird – mit Aterballetto (Mauro Bigonzetti), dem Göteborg Ballett (Meryl Tankard), dem brasilianischen Sâo Paulo Ballett (Mario Nascimento) und der Londoner Rambert Dance Company (Michael Clark und Antony Tudor). Alle mit jeweils drei Vorstellungen – das ist mehr als Ludwigsburg seinen Abonnenten bietet (aber das dortige Forum hat 1248 Plätze). Also verhält sich‘s im Fränkischen ähnlich wie im Schwäbischen. Wer Staatstheatergelüste hat, fährt von Fürth aus mit der U-Bahn ins sieben Kilometer entfernte Nürnberg – wie von Ludwigsburg nach Stuttgart – und kriegt im Übrigen Kompanien zu sehen, die um Nürnberg einen großen Bogen machen.

Also auf nach Fürth zu einer Vorstellung der Philadelphia Dance Company. Samstagabend, volles Haus – so voll, dass mir zunächst nur ein sichtbehinderter Platz offeriert werden konnte (ich bekam dann aber doch einen besseren). Nie gehört von diesen Amerikanern! Auch das Programmheft ist nicht sonderlich hilfreich: „Philadanco, 1970 von Joan Myers Brown gegründet, ist eine Kompanie, die sich modernem, zeitgenössischem Tanz widmet.“ Sie deklariert sich als „bewusst afro-amerikanische Tanzkompanie“ – aus meiner Sicht mit dezidiert karibischem Hintergrund. Nie gehört? Mein elektronisches Lexikon ist da klüger und bietet immerhin drei Verweise auf Berichte im amerikanischen Dance Magazine (1998/10,93 – 2001/12,45 und 2005/5,40).

Hauschoreograf ist Christopher Higgins. Von ihm stammt auch das Schlussstück „Enemy Behind the Gates“ (Musik Steve Reich, 2002). Die drei anderen im Fürther Programm vertretenen Amerikaner sind David Brown mit „Labess II“ (Zap Mama, 1999), George Faison mit „Suite Otis“ (Otis Redding, 1994) und Ronald K. Brown mit „Gate Keepers“ (Wummi Olaiya, 1998). Schwer zu vergleichen mit einer unserer ähnlich ambitionierten Truppen à la NDT, Rambert oder Cullberg – nicht zu reden von unseren deutschen Tanztheaterensembles. Dazu sind bei den Philadancos ihre afro-amerikanischen Wurzeln zu ausgeprägt. So erinnern sie in ihren beiden frisch-fröhlichen Stücken zu Beginn mit ihren aufschließenden Reigenformen und ihren unbeschwerten Sprüngen an die Minstrel-Shows aus dem 19. Jahrhundert bis hin zu Katherine Dunham und Alvin Ailey. Während in den beiden ernsteren Stücken nach der Pause gewisse Graham- und Humphrey-Reminiszenzen nicht zu übersehen sind.

Sonderlich beeindruckt hat mich keiner der Choreografen, so dass ich nicht unbedingt für einen Import von einem der vier Philadancos nach Europa plädieren würde. Die Spontaneität und Vitalität der 18 sehr gemischtrassigen Tänzerinnen und Tänzer (nicht mal eine Cast-Liste der Kompanie und ihres Stabs ist im Programmheft abgedruckt) ist allerdings ansteckend. Und sie sind eine gut trainierte und bestens koordinierte Truppe. Man gönnt ihnen gern die Erfahrung ihrer offenbar ersten Europa-Tournee, und das Fürther Publikum hat sie sehr herzlich willkommen geheißen. Aber von ihren Landsleuten und Kollegen der Hubbard Street Dancers und der Truppe von Alvin Ailey trennt sie doch ein beträchtlicher Qualitätsabstand.

 

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