Dunkle Traumvisionen

Die Juniorkompanie der spanischen Compañia Nacional de Danza in Ludwigsburg

Ludwigsburg, 24/03/2006

Wie so viele moderne Ballettkompanien hat sich auch Nacho Duatos spanische Nationalkompanie einen jugendlichen Spross zugelegt – die Compañia Nacional de Danza 2 gastierte mit ihren jungen, begeisterten Tänzern in der Tanzreihe des Ludwigsburger Forums am Schlosspark. Leiter der 1999 gegründeten Junior-Kompanie ist Tony Fabre, einstmals Tänzer bei Maurice Béjart und vom legendären Stuttgarter „Wien, Wien“-Gastspiel der Béjart-Truppe 1983 hier noch in nachhaltiger Erinnerung. Von ihm stammt das Mittelstück des Abends, „Violon d'Ingres“. Der Titel ist die französische Bezeichnung für ein Steckenpferd, und fast ist man versucht, ihn auf Fabres choreografische Begabung anzuwenden. Es geht um Streichinstrumente – im Hintergrund liegt wie eine Bank das überdimensionale Griffbrett einer Geige samt Wirbel zum Stimmen, und die Musikcollage besteht aus zahllosen gezupften und gestrichenen Häppchen von Bach bis Paganini. Dazu hat Fabre ein leicht hektisches Ensemblestück arrangiert, ein heiteres Bäumchen-wechsle-dich-Spiel aus ultrakurzen, virtuos-klassischen Szenen, verziert mit etwas pantomimischem Slapstick – nett anzuschauen, aber sofort wieder vergessen.

Sehr viel nachhaltiger wirkt da schon das Ethno-Ballett „Rassemblement“ zu haitianischer Folkmusik, eines der bekanntesten Stücke von Nacho Duato. Auf nackter Sohle und von den Frauen in langen, schwingenden Kleidern getanzt, entwickelt sich ein dunkles, politisches Ballett, in dem es um den Freiheitskampf der Haitianer geht. Erstaunlich, mit welchem Furor Duato in der freien, expressiven Bewegungsart das Klassische fast völlig vergisst, wie sich seine Tänzer fast tranceartig den akzentierten Rhythmen der Songs von Toto Bissainthe hingeben. Erinnerte dieses Ballett an die ethnische Phase Jiri Kyliáns, so kann der Spanier Duato auch in „Alone, for a Second“ den Einfluss seines ehemaligen Ballettdirektors beim NDT nicht verleugnen. Hier stellt er zu Musik von Erik Satie eine Solistin in das absurde, nachtschwarze Szenario eines Traumes. Zunächst gefangen in einem langen, schwarzen Bayadèren-Schleier, erlebt sie fremde, düstere Visionen zwischen E.T.A. Hoffmann und Magritte – einen Magier in Zylinder und Mantel, drei weiße Frauen mit Schreibfedern, marionettenartige Puppen auf Podesten, magisch dahinschwebende Silhouetten. Choreografisch basiert alles auf dem klassischen Vokabular, Duato arbeitet viel mit Symmetrien und kunstvollen Körperskulpturen – neben seinem fließenden, einfallsreichen Bewegungsstil liegt das Geheimnis seines choreografischen Ruhms aber sicher auch darin, dass er in seinen Balletten eine Atmosphäre, die Faszination eines Rätsels kreieren kann.

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