Tolles Programm, hervorragend getanzt

Die Ballett-Matinee der Heinz-Bosl-Stiftung zeigt wichtige Aspekte der Ausbildung

München, 27/11/2006

Am Anfang dieser wie immer ausverkauften Vorstellung der Münchner Ballett-Akademie stand mit Michail Fokines „Chopiniana“ die Klassik. Exakte Linien, stilistisch einheitliche Port de bras, Musikalität und lyrische Ausstrahlung prägten schon den Beginn. Unter den jungen Ballerinen der Zukunft, zwischen denen sich Tycho Hupperets als ruhiger und sicherer Partner bewährte, erwies sich zwar keine als Ausnahmetalent, aber alle zeigten technische Solidität, charmante Präsenz und Stilbewusstsein. Mehr und mehr wurde Elena Pankovas Handschrift erkennbar, die als Gast für die Einstudierung verantwortlich war, allerdings ohne dass die Studentinnen ihren filigranen Zauber und die tiefe Innerlichkeit ihrer Musikalität erreicht hätten. Aber der Weg dahin wird allen doch gewiesen, und so haben diese „Chopiniana“ wunderschöne Momente im Ensembletanz, in dem es keine leeren, nur äußerlichen Bewegungen zu sehen gab, sowie in den Phrasierungen, die die jungen Solistinnen ansatzweise zu übernehmen fähig waren. Mit sich intensivierender Geschlossenheit, Aussage und Eleganz mündete das Stück in das gelungene Tableau des Anfangs – ein eindrucksvoller Auftakt, bei dem alles leicht und graziös in die Höhe strebte.

Für Hans van Manens „In the Future“ auf die Musik von David Byrne war gefordert, dass alles schwer in die Erde geht, also eine völlig andere Tanzsprache, der sich die Körper und Impuls gebenden Hirne anverwandeln müssen – keine geringe Anforderung für einige eben noch an der klassischen Streckung beteiligte Tänzer. Da sah man gebeugte Knie, Becken-Shifts und rausgestreckte Hintern, während sich aus ruckhaften Gängen die Bewegungen durch den ganzen Körper ausbreiteten und beschleunigt zum Unisono des Mechanischen zurückbildeten, mit dem das Tolle der Zukunft „gefeiert“ wird.

Im 2. Satz wird eine prägnante Sequenz wie im Laborversuch wiederholt, im Pas de deux (Ioanna Avraam und Federico Spallitta) mit Hebungen und Bodenarbeit erweitert und wieder auf die Anfangssequenz beschränkt. Zur jazzigen Musik des 3. Satzes hat van Manen sich beschleunigende Schritte mit zum Gehen angewinkelten Armen choreografiert. Fünf Paare brachten das, was sich daraus entwickelte, mit hervorragender Bewegungsqualität und Energie trotz der geforderten mechanistischen Exaktheit zum Swingen – scherzhaft wie das wechselvolle Spiel mit den Farben der vorn grünen und hinten roten Ganzkörpertrikots. So jung diese Studenten sind, sie haben schon das Bewusstsein für die Ironie, das war so schön zu sehen. Bravo Michelle Emerre, die mit nur acht Tagen Unterstützung durch Mea Venema diesen Geniestreich Hans van Manens einstudierte! In „Troy Game“ von Robert North kamen die hochbegabten Jungs der Abschlussklassen zum Zug, die bei „Chopinana“ zuschauen mussten. Sie durften nun desto ausgelassener agieren. Die wie die bunten griechischen Götter aus der Glyptothek fragmentarisch kostümierten Krieger ergingen sich in Selbstfindungs-, Profilierungs- und Kampfspielen, bei denen wohl Asterix-Helden Pate standen. Auch ein an den Schildwegwerfer des Archilochos erinnernder clownhafter Verweigerer, der von den andern einiges abbekam, trug sehr zum Spaß an diesem virtuos und spielfreudig getanzten Stück bei. „Wenn so die Kriege wären, wäre es schön“, sagte meine griechische Begleiterin.

Im finalen, groß besetzten Charaktertanz, den Tom Bosma zu Rumänischer Volksmusik choreografiert hatte, kamen nun auch die Kleinen und die Kinder der Mittelstufe auf die Bühne. Disziplin und Präzision als Markenzeichen verriet schon der Beginn, Temperament und rhythmische Sicherheit kamen hinzu. Das Charakteristische der Folklore ging auch bei wachsendem Tempo und komplizierten Abläufen nicht verloren, Feuer und Stimmigkeit des Ganzen beeindruckten. Wer so viele Fächer auf so hohem Niveau erlernt, hat mit seiner Ausbildungs-Institution Glück gehabt.

 

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