Von allen Geistern verlassen

Flop an der Volksoper: Cavallaris „Tschaikowsky“ gerät zum Desaster

Wien, 21/11/2005

Am Ende sagt ein deplatzierter Santa Claus, der sich als Tschaikowsky (!) entpuppt: „Bisher hab ich geglaubt, dass nur der Weihnachtsmann unsterblich ist.“ Nimmt seinen Hut und geht. „Tschaikowsky Impressionen“ in der Volksoper: Zeitverschwendung, Geldverschwendung und eine ästhetische Blamage. Vor allem aber haben die Tänzer und Tänzerinnen des Balletts der Staats- und Volksoper es nicht verdient, sich auf ein solches Niveau reduzieren zu lassen. Sie tanzen, was von ihnen verlangt wird und haben kaum eine Chance zu protestieren.

Was ist geschehen? Ballettdirektor Gyula Harangozo hat einen Choreografen eingeladen, der seine „Tschaikowsky Impressionen“ verwirklichen wollte. Ivan Cavallari versteht es zwar durchaus, Schritte zu setzen, wenn auch konventionell neoklassisch und sehr am Altvorderen John Cranko klebend. Ihm ist aber nicht nur zur Hälfte seines Abendfüllers buchstäblich die Luft ausgegangen. Der Ex-Stuttgarter Solist hat sich auch mit den falschen Assistenten umgeben. Und: Niemand hat die Notbremse gezogen! 

Selten hat man so ein unbeholfenes, schlechtes, weil einfallsloses und banales „Bühnenbild“ mit Arbeitslicht (Manuela Geisler) gesehen, das von schauriger Schwärze ist. Dazu passt die papierene Dramaturgie (Alexander Müller), die von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist: Statt die Figur des Tschaikowsky, um dessen Homosexualität, Einsamkeit und Todesnähe es im ersten Teil gehen soll, mit einer Tanzsprache zu entwickeln, sucht Cavallari Hilfsmittel: Etwa in einem verschämt kleinen Filmchen, das mit einem nackten Jünglings-Po die schwule Seite erklären soll. Der Komponist (Tamas Solymosi) darf wenig tanzen, steht und sitzt hauptsächlich, schwer vom Giftbecher bedroht. Und weil es so ein schöner Einfall ist, fädeln sich Erinnerungen in Gestalt rückwärts (!) vorbei springender Gestalten auf. 

Tschaikowskys Alter ego (Wolfgang Grascher) aber soll in der tänzerischen Bewegung sprechend agieren. Ein Handikap, da Grascher, den keine Schuld trifft, auch noch Pathos geladen vorträgt. Die Figur der Nadeschda von Meck, jene Geschäftsfrau, die mit dem Komponisten einen Briefwechsel führte, besteht aus einer hübschen Lied-Sängerin (Birgid Steinberger).

Nach der Pause entgleitet der Abend, der musikalisch aus Tschaikowskys „Hamlet“- und „Romeo und Julia“-Ouvertüren sowie Teilen des „Nussknacker“ (vom Band) besteht, aber wenig davon profitiert: Jugendbanden gehen aufeinander los. Ein personifizierter Computervirus - der Einfall könnte einer Amateurballettschule entsprungen sein – hüpft auf die Bühne. Es wird heftig Dreirad gefahren... Der Abend ist nicht zu retten, die Tänzer aber brauchen rasch einen Anker. 

Mit freundlicher Genehmigung des Kurier

 

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