TANZ Bremen

Ingun Bjornsgaard „Four Pieces including Sjoa and Skjak“

Bremen, 06/03/2004

Vom Berg hinab ins Tal, zu Stadt und Fluss, müht sich das Ensemble des fünfköpfigen norwegischen Ingun Bjornsgaard Prosjekt, durchlebt dabei „den Kontrast zwischen sublimer Emotion im Sinne nationaler Romantik einerseits und alltäglicher moderner Leere und Gelangweiltheit andererseits“ – so verkündet es zumindest der Waschzettel zur Produktion. Noch ausführlicher beschreibt das in Englisch verfasste Programmheft, welche unendlich breite Palette an Gefühlen, Verhaltensweisen, Situationen dargestellt wird. Dargestellt werden soll, müsste es besser heißen: Bis auf die Leere und Gelangweiltheit mangels strukturierter Choreografie wird kein „Versprechen“ eingelöst, bleibt es bloße, hochgestochene Behauptung. Das Stück wabert, einige wenige Episoden ausgespart, konturlos dahin.

Die Tänzer*innen reißen sich vergeblich die Beine aus, dem beliebig gestreuten, modern mit einem Hauch Klassisch getönten Bewegungsmaterial mit vielen Sprüngen vermag es kein Leben einzuhauchen: keine im Ablauf nachvollziehbar eingebettete Steigerungen, keine einleuchtende Personencharakterisierung, keine plastisch gezeichneten Situationen. Bjornsgaard stürzt, so meine ich, mit ihrer überambitionierten Kreation ab, bevor sie überhaupt aufgestiegen ist. Auf der bis auf die Brandmauern aufgerissenen Bühne startet der erste Teil mit zeitlupenhaften Verschiebungen im Raum, mit dem Plazieren von Requisiten wie Hocker, Liege, vielfältig zu formender Polsterkette. Bis auf eine Tänzerin (die ausdrucksstarke Sigrid Edvardsson im roten, knöchellangen Plissekleid) tragen alle Alltagskleidung. Edvardsson stürzt sich in ein atemloses Solo mit herumgeschleudertem Handtäschchen, das hier und da einem Tänzer (Lars Jacob Holm) an den Kopf knallt. Plötzlich bricht einer (Erik Rulin) in einem Heulkrampf aus, Edvardsson gesellt sich zu ihm, sexuelle Gewaltmomente scheinen auf. Ein deutscher Text über Kindheit und ichweißnichtwas wird verlesen. Sie hebt ihn derweil wie ein Baby hoch.

Der zweite Teil huscht gesichtslos vorüber. Christopher Arouni führt sein Markenzeichen, amorph schlenkernde Arme, vor, ab und an stoppt er, schaut sich um, als wisse er nicht weiter. Im dritten Teil verknäueln sich die Tänzer*innen auf dem Boden zu einem scheinbar unentwirrbaren Haufen, auf den sich der bärtige Erik Rulin immer wieder stürzt, die Frauen hernimmt, als wolle er sie vergewaltigen. Zwei Männer werfen sich Lone Torvik zu, heben, tragen und übergeben sie an den anderen. Im vierten Abschnitt kennzeichnen das Bild eines Flusses und einer alten Frau in Tracht an einem Gewässer den Ort eines Finales, das wie eine Art „Bewegungsstadel“ mit eingepflanztem Dauerlächeln des Ensembles daherkommt: eine Parodie verlogener Idylle soll es wohl sein. Das Ganze kommt daher, als habe Bjornsgaard die Improvisationen ihres Ensembles durcheinander gewürfelt, in der Erwartung, es komme beim Wurf auf die Bühne die höchste Zahl, eine Sechs heraus. Knapp ist sie an einer Null vorbeigeschliddert: Prätention ohne tragfähige handwerkliche und inspirierte Basis.

Die Auftrags-Musik von Per Henrik Svalastog, Henrik Heelstenius und Rolf Wallin bedient sich elektronischer Klänge, bis auf den Beginn des letzten Teils, in dem eine süßliche, gewollt „idyllische“ Musik mit Orchester und Holzbläsern ertönt. Die Kompositionen mögen zwar manchmal nur blass begleiten, entwickeln aber an einigen Stellen die Kraft und Vitalität, die der Choreografie abgeht.

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern