Robert Schumann: „Das Paradies und die Peri“

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Düsseldorf, 11/07/2004

Zwei Jahre nachdem die Wilis in „Giselle“ auf der Ballettbühne debütiert hatten, folgten ihnen 1843 – na ja nicht gerade – ihre Schwestern, sondern wohl eher ihre Cousinen ersten Grades aus dem Orient, die Peris, geisterhafte Wesen der Luft, in gleich zweifacher Gestalt: einmal als Ballett „La Péri“ mit einem Libretto von Théophile Gautier, choreografiert von Jean Coralli zu einer Musik von Friedrich Burgmüller, mit Carlotta Grisi und Lucien Petipa an der Pariser Opéra, und fast gleichzeitig als „Das Paradies und die Peri“, Oratorium in drei Teilen für Solostimmen, Chor und Orchester von Robert Schumann im Gewandhaus zu Leipzig.

Beide Werke, die lediglich die Titelheldin miteinander gemein haben, erfreuten sich im 19. Jahrhundert großer Beliebtheit. Das Ballett ist total verlorengegangen (vielleicht wird es ja eines Tages Pierre Lacotte wiederentdecken) – existiert in gänzlich anderer Form, mit einer Musik von Paul Dukas, die Ivan Clustine zuerst 1912 ebenfalls für Paris choreografierte. Schumanns Oratorium hat heute eher Seltenheitswert. Er selbst, damals dreiunddreißigjährig, maß ihm große Bedeutung zu. Es ist sehr liedhaft angelegt, sehr lyrisch, ohne Rezitative – „ein Oratorium, aber nicht für den Betsaal, sondern für heitere Menschen“.

Darin geht es um eins jener Wesen, das wegen eines Fehltritts aus dem Paradies verwiesen wird und sich nun in Sehnsucht nach seiner himmlischen Heimat verzehrt. Der Engel verheißt ihm die Rückkehr, wenn es „des Himmels liebste Gabe“ findet. Dreimal begibt es sich auf die Suche, begegnet dabei einem tapfer auf dem Schlachtfeld sterbenden Jüngling, einer Braut, die den Tod mit ihrem Geliebten teilt, aber erst die Träne eines reuigen Sünders überzeugt die himmlischen Gefährten, die die Peri wieder in ihren Kreis aufnehmen.

Im Rahmen des Düsseldorfer Schumannfestes 2004 ist es jetzt in einer groß dimensionierten szenischen Form in der Tonhalle erneut zur Aufführung gelangt, in Kooperation mit den Düsseldorfer Symphonikern nach einem Konzept und in der Inszenierung von Gregor Seyffert und mit Gottfried Helnwein, verantwortlich für Bühne, Kostüme, Video und Maske. Das gigantische Unternehmen, mit riesigem Chor, einer Vielzahl von Solisten, Sängern, Tänzern und Luftakrobaten, mit Seyffert selbst als Peri (eigentlich eine Sopranrolle – hier entsprechend von dem Sopranisten Jörg Waschinski gesungen) beeindruckte enorm – einmal durch seinen einzigartigen musikalischen Reiz, zum anderen aber auch durch die szenische Realisierung, die sich zum großen Teil, mit fünf an elastischen Seilen aufgehängten Engeln, in der Luft abspielt. Und an einem Seil hängt auch Seyffert, stürzt sich aus der Kuppel in die Tiefe, wird immer wieder hochgeschleudert und vollführt dabei die tollsten Kapriolen, von Helnwein als ein androgynes Wesen kostümiert, anfangs mit Superspitzenschuhen, um die ihn alle Ballerinen der Welt beneiden dürften (bloß stehen kann man nicht auf ihnen) – eine Marathonrolle, die er tatsächlich rund hundert Minuten durchhält.

Weitere Tänzerrollen bestreiten Swen Raschka als Jüngling, Peter Luppa als kriegerischer Feldherr, Raimondo Rebeck, sehr ausdrucksstark, als pestkranker Jüngling, Heike Keller als Jungfrau und Goyo Montero als Mann. Das Ganze ist durch seine Luftchoreografien, aber auch auf dem Boden, sehr spektakulär, wobei ich mir die Luftnummern noch fantasiereicher choreografiert vorstellen könnte, wenn ich an vergleichbare Unternehmen in den Friedrichstadtpalast-Revuen denke. Auf jeden Fall war es eine höchst lohnende Begegnung, von einem überwältigenden musikalischen und szenischen Reichtum – ein großartiges Plädoyer für den jungen Schumann, wie für ein Tourneeunternehmen in Zirkuszelten à la Max Reinhardt. Aber das verhindern, wie ich befürchte, die enormen Kosten. Auf dem schier endlosen Besetzungszettel habe ich allerdings die TÜV-Plakette vermisst.

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