Portrait Mats Ek

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München, 10/03/2004

Da köchelt die Spielzeit 2003/04 des Bayerischen Staatsballetts auf Sparflamme vor sich hin, doch von der Ballettwoche 2004 wollte man nicht lassen. So gab es nach dem aufgewärmten „Dornröschen“ und dem fürs erste abgesagten Béjart zumindest eine halbe Premiere: die deutsche Erstaufführung von Mats Eks „Apartment“, zusammengespannt mit dem vor drei Jahren herausgebrachten „A Sort of …“ und unter dem Titel „Portrait Mats Ek“ zu einem zweistündigen Abendprogramm ergänzt. Und kann sich derart sogar der dramaturgischen Kontinuität rühmen, denn mit solchen Porträtabenden über Hans van Manen, Jiří Kylián und John Neumeier hat München ja auch früher schon künstlerisch reüssiert.

Wenn man so will, könnte München aus dem existierenden Repertoire mühelos auch ein „Portrait Marius Petipa“ oder „Ein Portrait John Cranko“ zusammenstellen. Wie sich denn überhaupt die Repertoirestruktur des Bayerischen Staatsballetts mit seiner umfangreichen, von keiner anderen Kompanie in Deutschland in vergleichbarer Qualität offerierten Klassikerabteilung, den großen Blöcken der Cranko- und Neumeier-Ballette und eben den autorenbezogenen Porträtabenden zu einem imponierenden, in sich schlüssigen Programmangebot addiert, das zumindest bei uns keine ernsthafte Konkurrenz zu fürchten hat. Nicht einmal von freilich so anders programmierten Kompanien wie Stuttgart, Hamburg oder Berlin.

So kann man eigentlich nur eins beklagen: das fortgesetzte Pech, das München mit seinen Uraufführungen hat! Nun also Mats Ek, der viel Bewunderte (und Kopierte), von dem München ja seit Jahren schon seine viel diskutierte „Giselle“ auf dem Spielplan hat. Die beiden jetzt gezeigten Ballette ergänzen durchaus einander, ja das vor vier Jahren für die Pariser Opéra kreierte „Apartment“ kann man quasi als eine Fortsetzung des vor sieben Jahren fürs Nederlands Dans Theater entstandene „A Sort of …“ sehen. Ich könnte mir vorstellen, dass Ek eines Tages sogar die beiden „A Sort of …“ und „Apartment“ um ein drittes Stück zu einer „Schwedischen Trilogie“ ergänzt, denn unverkennbar schwedischer Herkunft sind die beiden jetzt in München zu sehenden Ballette, mögen sie auch in französischem und holländischem Auftrag entstanden sein.

Noch nie zuvor ist mir so klar geworden wie jetzt in München, wie schwedisch die Ballette von Ek sind. Die beiden jetzt zusammengespannten sind beide Episoden-Ballette, Shortcuts, ohne durchgehende Handlung, doch in ihren einzelnen Abschnitten (in „A Sort of …“ übergangslos, in „Apartment“ unterteilt in Bidet, Fernseher, Straße, Ofen, Spiele, Walzer, Staubsauger, Stille, Tür, Finale) durchaus thematisiert. Hier wie dort siedeln die einzelnen Episoden an der Grenze von Realität und Traum. Und da einem hier wie dort ausgesprochen karnevaleske Stimmungen begegnen, erscheinen sie mir wie das schwedische Verbindungsglied zwischen den hexenhaft-dämonischen Bildsujets von James Ensor und Marc Chagalls surrealistischen Phantasmagorien. Jedenfalls sind sie nicht denkbar ohne Vorläufer wie Munch, Ibsen und Strindberg – wegen ihrer unübersehbaren kauzigen Humore sicher auch ein bisschen inspiriert von Holberg und Bellman. Und da die Figuren so durchweg zu Übertreibungen und Exaltationen neigen, scheinen sie mir sämtlich Nachkommen der so ausgesprochen skandinavischen Familie der Trolle zu sein – die einmal im Jahr, nämlich in der Mittsommernacht des Johannestages, total alkoholisiert unter der alles entschuldigenden Mittsommernachtsonne sozusagen die Sau aus sich herauslassen dürfen und dabei dämonische Züge annehmen.

So outet sich Mats Ek in diesen beiden Balletten als ein durchaus zeitgenössischer Nachfolger von Jean Börlin und seiner für Rolf de Marés Ballets Suédois choreografierten „Nuit de Saint-Jean“ mit ihrer so dezidiert schwedischen Thematik. Gerade auch choreografisch mit ihren folkloristischen Anleihen. Ich würde diesen Gedanken gern noch fortspinnen, bin hier aber schon kurz vor dem mir selbst im kj gesetzten 4500 Zeichen Limit angelangt. Weswegen ich auf alles Weitere verzichten möchte (und nur zum wiederholten Male darauf aufmerksam machen kann, dass sich das kj NICHT als Kritik, sondern eher als eine Art Tagebuch versteht).

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