La fille mal gardée

Ballett von Frederick Ashton

Hamburgische Staatsoper, 16/12/2004

Entzückend, reizend, allerliebst: Frederick Ashtons „La fille mal gardée“ – 1960 herausgebracht – löst Glückshormone en masse bei Groß und Klein aus, die beste Therapie für trübe Dezemberabende. Das Märchen vom Lande, dessen Kern vom Uraufführungsjahr 1789 (Libretto: Jean Dauberval) stammt, hat nichts von seinem überrumpelnden Spaßfaktor verloren, rührt immer noch zu Herzen. Die Story lässt sich mühelos verfolgen: Was immer auch die reiche Witwe Simone versucht, letztlich kommen ihre Tochter Lise und der arme Bauer Colas doch zusammen. Der eigentlich als Bräutigam vorgesehene Alain, Sohn des betuchten Weinbauern Thomas, geht leer aus, tröstet sich mit seinem geliebten roten Schirm. John Lanchbery hat für Ashton (1904-1988) die Partitur von Ferdinand Hérold, der die Musik zur zweiten Version 1828 zusammenstellte (und sich unter anderem bei Rossini bediente), überarbeitet und zu einer überaus launigen Fassung ergänzt, beispielsweise den Holzschuhtanz für Simone eingefügt. Das Orchester widmet sich unter der Leitung von André Presser lustvoll den zahlreichen instrumentalen Gags. Alexander Grant und Jane Elliott haben die Choreographie des Schmuckstücks einstudiert.

Die manchmal wackelnden Kulissen versetzen die Zuschauer in ein friedliches Landidyll, alle Mitwirkenden sind farbenfroh in wunderhübschen Kostümen herausgeputzt (Bühnenbild und Kostüme: Osbert Lancaster) und frönen einer geradezu umwerfenden Tanzlust im Haus, auf Feld und Dorfplatz. Das Geflügel macht es vor: Ein mannsgroßer Hahn (Konstantin Tselikov) mit seinen vier Hühnern plustert sich zu Beginn auf, taucht immer zwischen den Dörflern auf. Meisterhaft setzt Ashton für die Gruppe Flötentanz, Tanz um den Maibaum, Erntetanz und amüsantes Gewitter in den Bühnenraum, lockert auf und verdichtet mit folkloristisch angehauchtem Schrittmaterial, mit vielen Positionswechseln. Damit hat das mit Verve ans Werk gehende Hamburger Ensemble manches Mal seine liebe Mühe, noch ist ihm dieser dynamische Stil nicht in Fleisch und Blut übergangen. Ob es da hilft, dass nach der dritten Vorstellung am 19. Dezember die nächsten Aufführungen erst am 26. und 29. April, 2. Mai und 1. Juli 2005 folgen? En travestie – wie in Cinderella die beiden Stiefschwestern – überzieht Kevin Haigen die Simone zur krachledernen Klamotte, tanzt zudem öfter ungenau wie etwa im Holzschuhtanz. Haigen kennt nur zwei Gesichtsausdrücke: den Flunsch oder ein Lächeln. Hätte er nur auf Alexander Grant gehört, der im Programmheft zur Partie des Alain, den er 1960 selbst tanzte, anmerkte: „... man darf nicht übertreiben, so dass es nicht mehr amüsant, sondern lächerlich wirkt.“ Exakt so serviert Yukichi Hattori den Verlierer um die Gunst Lises: trocken, mit messerscharfer Präzision. Das ist kein dummer Tölpel, sondern jung und verspielt, noch nicht reif für die Ehe. Eine ganze Skala von Gefühlen läuft in Hattoris Gesicht ab, ergänzt die skurrilen Schritte zu einer Figur aus einem Guss. Als Flötenspieler sticht Thiago Bordin heraus.

Technisch brillant bewältigen Silvia Azzoni (Lise) und Alexandre Riabko (Colas) ihre Partien. Sie glänzt mit gut platzierten Posen, sicheren Drehungen und hohen Sprüngen, er erhebt sich kraftvoll mit Ballon in die Lüfte, präsentiert eine blitzsaubere Fußarbeit, partnert fehlerlos. Dennoch wirkt ihre Mimik anfangs gequält, künstlich aufgesetzt das Lächeln von ihm. Vielleicht ein Zeichen von Lampenfieber, verständlich bei der zweiten Vorstellung. Den dazugehörenden Charme gewinnt Silvia Azzoni erst bei der Solopantomime, in der sie sich ihre Hochzeit mit Colas und dem folgenden Kindersegen vorstellt. Endgültig finden beide im finalen Pas de deux zur Harmonie von Bewegung und Mimik. Jubelstürme des Publikums, eine Nuance mehr für Hattori als für das Paar Azzoni/Riabko, so scheint es mir.

A-Premiere: 12.12.04, Gesehene B-Premiere: 14.12.04

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