Jetzt auch auf DVD: „Platée“ von Jean Philippe Rameau

oe
Stuttgart, 04/05/2004

In „Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters“ ist sie als „Ballet bouffon en trois actes, précédé d´un prologue“ klassifiziert, Rameaus komische Ballettoper über die Sumpfnymphe Platée aus dem Jahr 1745. In der jetzt erschienenen DVD-Produktion der Opéra National de Paris rangiert sie als „A lyric comedy in one prologue and three acts“, und sie trägt das Gütezeichen Mark Minkowski, mit dem Orchester und dem Chor der Musiciens du Louvre, Grenoble. Tatsächlich handelt es sich um eine große Ballettoper – eigentlich eine Ballett-Operette oder ein Ballett-Musical. Und so hat sie Laurent Pelly auch in Szene gesetzt, zusammen mit der Choreografin Laura Scozzi und einer unbenannt bleibenden Tänzertruppe, irgendwo in einem Disney-Comic-Land als Theatervorstellung in einem Logentheater (Bühnenbild: Chantal Thomas, Kostüme: Pelly) – in einem modernistisch-ironisch gebrochenen Stil, mit viel Herumgejage, -gehampele und -gehopse – mit jener ostentativen Lustigkeit und demonstrativen Ätsch-Komik, die mir schon im Prolog ziemlich auf die Nerven ging. So dass ich jedes Mal froh war, wenn die Kamera auf den Dirigenten umschwenkte und man an seinen Zügen das ganze Vergnügen ablesen konnte, das ihm diese Musik bereitete, und deren Feinheiten er mit schmunzelnd-beseligendem Vergnügen voll auskostete.

In der Tat lebt diese Oper von der fantastischen musikalischen Fülle, die Rameau darüber ausgegossen hat, mit ihren zahllosen Tänzen und Pantomimen, ihren Aufzügen und Divertissements, ihren Rigaudons und Passepieds, ihren Tambourins und Musettes. Und mit so vorzüglichen Solisten wie Paul Agnew (Platée), Mireille Delunsch (La Folie, Thalie), Yann Beuron (Thespis, Mercure), Vincent le Texier (Jupiter) und Doris Lamprecht (Junon), mit den hinreißend pointiert musizierenden Musiciens du Louvre und dem Chor wird Rameau sein volles Recht gegeben, wie kleinkariert nimmt sich doch die jüngste Freiburger Produktion von „Dardanus“ dagegen aus! Ich blättere in meinem Archiv und finde da eine oe-Kritik über die deutsche Erstaufführung der „Hochzeit der Platäa“ 1963 in Bremen – Choreografie: Richard Adama als Gast aus Hannover, wo er Yvonne Georgis engster Mitarbeiter war. Eine gute Gelegenheit, an ihn zu erinnern, der als Amerikaner nach Europa gekommen war und Hauptrollen in Erika Hankas Balletten in der wiedererstandenen Wiener Staatsoper tanzte, bevor er sich dann in Hannover und Bremen vor allem mit seinen Einstudierungen von „Giselle“, „La Sylphide“ und „Schwanensee“ (erstmals in Deutschland mit dem „Schwarzen Schwan“ im ersten Akt) auch als Choreograf profilierte.

1997 hat Mark Morris „Platée“ zuerst in London und etwas später dann auch in New York in großer Opernbesetzung und mit seiner eigenen Truppe als Tänzern herausgebracht: eine ganz moderne Produktion im typisch New Yorker Nachtclub-Milieu – ein Mordsvergnügen, Rameau ganz up to date gebracht! Dagegen mutet diese Pariser Einstudierung mit ihrem ostentativen „nun amüsiert euch mal schön“ doch recht schal an. Doch das Vergnügen an Rameau und seiner beschwingten Musik ist dank Minkowski ungebrochen. Das wäre doch mal was für unsere Festspiele à la Schwetzingen oder Ludwigsburg! (Jean-Philippe Rameau: „Platée“, dirigiert von Marc Minkowski, mit dem Orchester und Chor der Musiciens du Louvre, Grenoble; auf TDK Mediaktive, DV-OPPLT, 2 Discs, 150 Minuten)

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