Henning Paar: „MoveNember“

oe
Braunschweig, 30/01/2004

Wieder so eine typische Kopfgeburt der Dramaturgie, dieser Titel „MoveNember“. Was soll sich ein normales Publikum (gibt es das überhaupt?) darunter vorstellen? Das Programmheft belehrt uns: Der Titel setzt sich zusammen aus Move für Bewegung und den Endsilben der Monate September, November und Dezember. Offenbar hat sich der Oktober verweigert, denn im Grunde gehört er natürlich dazu, zu dieser „Tanzlandschaft für 16 Tänzer, ein Cello und seinen Solisten“ von Henning Paar.

Die Landschaften sind Seelenlandschaften herbstlichen Befindens. Getanzt werden sie zu zwei Cello-Suiten von Bach, gespielt auf der Bühne von Henning Bundies oder Christian Bußmann – dazwischen sind eingeschoben Tonband-Noises von Louis Andriessen, Fred Hersch, Meredith Monk, Steve Reiche, John Adams etc. Nicht unbedingt mein Fall, dieser musikalische Eintopf! Zu den Tänzern gesellt sich noch eine „Dame ohne Name“ - eine Art Putzfrau, die immer mal wieder erscheint, um abzustauben, während der Cellist wie ein Straßenmusikant mit seinem Instrument, Hocker und Notenständer auf der Bühne herumwandert.

Getanzt wird barfuß in lose fallenden Shirts und Hosen – nur einmal trägt eine Tänzerin ein richtiges Kleid mit ein paar Farbtupfern – in einem Idiom, das sich aus allen möglichen Quellen speist, ohne sonderliche Eigenprägung. Auch eine Luftnummer ist dabei, „Ikarus“, in der ein am Trapez hängender Tänzer von seinem Kollegen am Boden wie ein Glockenschwengel hin und her geschwungen wird. Das Eindrucksvollste ist der Kampf eines Tänzers, Daniel Soulié, gegen eine sich bedrohlich blähende Windhose, ungeheuer groß und gefräßig – wie der über die Ufer tretende „Schwanensee“ – und schließlich richtig bühnenfüllend: „Am Rande meines Welkens bin ich eine sanfte Nacht“ (Schwitters – weitere Texte von Morgenstern).

Ein spezifisches Herbstgefühl hat sich bei mir nicht eingestellt. Es handelt sich um die üblichen Skizzen: als Solo, Duo, zu dritt, diverse Ensembleformationen – Traurigkeiten, Lustbarkeiten, Schelmisches, Neckisches, Frustrationen, auch Humoristisches – wie ein herbstlicher Rap zu Fontanes Birnbaum im Garten von Herrn Ribbeck. Eingeprägt hat sich auch eine Nummer, in der die Tänzer sich an den drei Wellblechwänden von Isabel Kocks Raum entlang drücken, oder aus einer der vielen Türen fallen.

Das ist ordentlich getanzt – angemacht hat es mich nicht. Die anekdotischen Tupfer sind hübsch und einfallsreich, die Choreografie eher Allerwelts-Moves. Sonderlich beeindruckt hat mich der Hundert-Minuten-Abend (inklusive Pause) nicht. Ich hätte so gern geschrieben: also auf nach Braunschweig – muss man unbedingt gesehen haben, was dieser Henning Paar mit seinen sechzehn Tänzern plus Cellisten und Putzfrau alles anstellt. So, wie ich meist bei Schläpfer in Mainz, Kurz in Nürnberg, Schwaarz in Krefeld oder Plucis die Leser zu animieren versuche. Zu einem mehr als „mildly pleasing“ langte es in Braunschweig nicht, leider!

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern