Christopher Bruce: „Sergeant Early's Dream“ und „Rooster“

oe
Krefeld, 18/01/2004

Nach Krefeld also – nach wieviel Jahren? Es dürften wohl an die fünfzig sein! Nostalgische Erinnerungen kommen hoch: an die Anfänge der Sommerakademie, die dann nach ein paar Jahren nach Köln übersiedelte. Erinnerungen an ihre beiden Gründer: Heinz Laurenzen und Heinrich Wendel, an die unverwüstliche Elisabeth Knütgen, die als Mutter für alle zuständig war, an Victor und Tatjana Gsovsky, an Madame Nora und ... und ... und ... an einen jüngeren oe, der sich stolz in die Brust warf, als er in einem Nobelrestaurant mit Danilova speiste!

Diesmal also Christopher Bruces wegen, der damals gerade an die zehn Jahre alt gewesen sein dürfte und jetzt zu einem seiner raren Deutschland-Besuche in die Seidenstadt gekommen war, um hier zwei seiner Ballette einzustudieren: „Sergeant Early‘s Dream“ (1984) und „Rooster“ (1991). Wenn ich mich recht erinnere, hat er zuvor nur ein einziges Mal in München gearbeitet, lange bevor die Kompanie zum Staatsballett avancierte.

Bruce ist ein Rambert-Produkt, dort an der Schule ausgebildet, dann Tänzer in der Kompanie (mit Tetleys „Pierrot lunaire“ als seiner berühmtesten Rolle), schließlich Juniorchoreograf und dann sogar Direktor. Heute in der ganzen Welt tätig und geschätzt, oft auch in Amerika. Ein Choreograf in vielen Sätteln gerecht, auch in den verschiedensten Ethnien rund um den Erdball. Sein vielleicht berühmtestes Ballett sind die mexikanisch inspirierten „Ghost Dances“. Alle seine Ballette zeichnen sich durch seine überströmende warmherzige Menschlichkeit aus. Mühelos verschmilzt er Klassisches mit den verschiedensten zeitgenössischen Formen, bleibt aber immer ganz nahe am Tanz. Ich sehe ihn als einen ganz und gar Eigenwilligen in der Linie von Jiří Kylián und Nacho Duato.

Sein „Sergeant Early‘s Dream“ basiert auf irischen, englischen und amerikanischen Volksliedern. Eine Gruppe von fünf Tänzerinnen und vier Tänzern – eine freundschaftlich verbundene Kameraderie, die an einem fernen Meeresstrand (Ausstattung: Walter Nobbe) ihren Heimaterinnerungen nachhängt. Viel Irisches ist dabei, auch schrittmäßig. Begegnungen aller Art, lustige, traurige, Einsamkeiten und Eitelkeiten, Soli und Gruppen, humoristische Neckereien. Alles sehr flüssig und schwungvoll, mit fliegenden Röcken und einer bienenemsigen Blondine. Die sehr individuellen Krefelder Tänzer tanzen das mit ansteckender Gutgelauntheit. Eine wundersam warmherzige Humanität flutet von der Bühne in den vollen Zuschauerraum, animiert das Publikum. Christopher Bruce at his best!

„Rooster“ zu Songs der Rolling Stones liegt mir weniger, kommt aber bei den Zuschauern eher noch besser an – und die jüngeren stoßen Schreie des Entzückens aus. Fünf Tänzerpaare, die hier herumbalzen, jazzambitioniert, sexy, schrill und fetzig, mit synkopierten Hüft- und Beckenschwüngen – eine Stoß- und Hit- und Schleuder-Choreografie. Die Männer gockeln auf Teufel komm raus, aber die Frau nehmen‘s cool und gelassen. Hier können die Tänzer ihrem Affen Zucker geben – und sie tun‘s mit Karacho! Alle haben enormen Spaß – und den hat sicher auch Heidrun Schwaarz als tüchtige Chefin der kleinen aber feinen Truppe, die sich die Hände reiben kann ob ihres Einfalls, den liebenswerten Christopher Bruce nach Krefeld/Mönchengladbach eingeladen zu haben.

Kommentare

Noch keine Beiträge