Abschied an der Komischen Oper

„Metamorphose“: zwei Ballette von Ingun Bjoernsgaard und Meryl Tankard

oe
Berlin, 15/05/2004

Eine der letzten Vorstellungen des zum Ende der Spielzeit abzuwickelnden BerlinBalletts der Komischen Oper. Eine Samstagabend-Vorstellung vor dem dreiviertel gefüllten Haus – also besser besucht als befürchtet. Von Abschiedsstimmung kann nicht die Rede sein, weder im Zuschauerraum (auffallend viel Jugend, am Ende die heute üblich gewordene jubelnde und kreischende Zustimmung) und schon gar nicht auf der Bühne, wo die Tänzer, gut anzusehen und gut konditioniert ihren Job mit offenbar ausgesprochenem Spaß absolvieren.

Da gehen die Gedanken unwillkürlich zurück an die bald sechzig Jahre Ballett an diesem Haus. Immerhin war ich schon bei der „Fledermaus“-Premiere von Felsenstein 1947 dabei. Wie viele Ballettchefs habe ich nicht in all diesen Jahren kommen und gehen sehen! Von Sabine Ress angefangen über Ilse Meudtner, Gertrud Steinweg (besonders gern erinnere ich mich an ihre „Scheherazade“ und ihr „Petruschka“ – beide mit dem unvergessenen Georg Groke), die kurze Episode mit Jean Weidt mit seinem kuriosen zweiten „Schwanensee“-Akt, dann Tom Schilling mit Bernd Köllinger (da hatte es gleich am Anfang ein Missverständnis gegeben, weswegen ich während seiner langjährigen Tanztheater Ära sehr wenig von ihm gesehen habe) und schließlich die einander die Türklinke in die Hand gebenden Erben von 1989. Zuletzt war ich bei Richard Wherlocks unseligem „Kiss Me Kate“ (kann mich nicht mal erinnern, ob die Produktion wirklich so hieß) im Haus.

Und nun also die von BerlinBallett-Chefin Adolphe Binder (ehemals Deutsche Oper Berlin) ausgeheckte „Metamorphosen“-Schlussproduktion mit den beiden Gastchoreografinnen Ingun Bjoernsgaard (hierzulande weitgehend unbekannt – in Oslo Leiterin einer Modern-Dance-Gruppe) und Meryl Tankard, die als Tänzerin bei Pina Bausch bekannt wurde und dann auch als Choreografin in Australien mit ihrer eigenen Kompanie auf ihren Gastspielen in Europa gefeiert wurde). Manches an diesem Abend ist erst nach der Lektüre des ausgezeichnet informativen Programmhefts verständlich – der Übertitel „Metamorphosen“ mir allerdings auch dann nicht.

Zuerst also „Der Tod und das Mädchen“ zu den beiden ersten Sätzen des Schubert-Streichquartetts, umrahmt von kurzen Stücken von Luigi Nono und George Crumb (hinreißend musiziert vom Jargenow-Quartett). Da handelt sich‘s um eine todessüchtige Elegie für elf Tänzer, Aufbegehren und Hingezogensein, durchaus stimmungsträchtig und expressiv, aber mir zu weit von der doch sehr konkret narrativen Musik entfernt (erinnert sich außer mir noch jemand an Erich Walters hinschmelzend schönes Poem?). Auch stören mich die vielen klassischen Reminiszenzen in der eher eckigen und kantigen, mit zahlreichen Körperverschraubungen arbeitenden modernen Choreografie. Doch gar so leerlaufend und nichtssagend wie die Kollegen, die ich gelesen habe, fand ich´s nicht. Und getanzt wurde das mit großem Ernst und fesselnder Ausdrucksintensität.

Eher enttäuscht war ich dann von Tankards „@north“ zur gleichnamigen Musik von Meredith Monk für dreizehn Tänzer: viel ritualistisches Gehabe auf der Drehbühne um Anna Sappho Polychronopoulo als Ikonen-Figur, kontrastiert mit hemmungslosem Remmidemmi-Gewusel und einer lustigen Kaulquappen-Figur. Offenbar ein Insider-Spaß, der mich eher genervt hat, von den Tänzern mit feixendem Brio exekutiert. Mir hat das 45-Minuten-Stück ein eher flaues Gefühl verursacht. Und ganz und gar nicht kann ich nachvollziehen, wie eine sonst von mir sehr geschätzte Kollegin ihre Kritik über „@north“ übertiteln konnte „Das hätte die Zukunft sein können“. So schwarz möchte ich die Zukunft des Balletts denn doch nicht sehen!

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