TanzWelten im 3sat Fernsehen

oe
Stuttgart, 31/12/2001

Das kann ja heiter werden! Mit einem 24stündigen Tanzmarathon feierte 3sat den Übergang von 2001 nach 2002. Das hat es noch nie zuvor im Fernsehen gegeben (und wird es wohl auch so schnell nicht wiedergeben). Umso mehr erstaunt, dass diese tänzerische Tour de force nicht besser vermarktet wurde. Gewiss, da war die übliche Ankündigung in den Programmanzeigen der Zeitungen und sogar, wenigstens ein bisschen ausführlicher, unter den Dezember-Terminen in „Europe´s leading dance magazine“ (wie sich die redesignte Zeitschrift „ballettanz“ jetzt bereits auf ihrer Titelseite nennt). Aber etwas mehr Werbung hätte es schon sein dürfen. So wird das ehrgeizige Unternehmen an vielen Interessierten vorbeigerauscht sein, und man kann nur hoffen, dass zahlreiche Videofreaks diese Superanthologie mitgeschnitten haben. Das Angebot war wahrlich überwältigend zwischen Klassisch, Modern, Pop, Ethnisch, Ballroom samt allen nur denkbaren Alternativformen.

Ich kann nicht behaupten, alles angesehen zu haben, der Start um 6.30 Uhr mit Spoerlis „Chäs“ war mir denn doch entschieden zu früh (so gern ich auch den jungen Martin Schläpfer wiedergesehen hätte) – und nach Mitternacht sah ich ohnehin alles durch die Champagner-Linse (und vermisste dadurch die Beiträge von Stephan Thoss, Mats Ek, Schläpfer und Jennifer Muller) – what a pity! Aber ich habe im Laufe des Tages doch immer wieder mal gesurft und mir zumindest Ausschnitte angesehen. Fasziniert war ich von „Sharp“ von dem Holländer Ben Zwaal, annonciert als Bewegungstheater, in dem der Raum entscheidend mitchoreografiert wird – dies war genau die Architekturchoreografie von der andere Kollegen wie Roger Bienert oder Sasha Waltz immer nur faseln.

Eher gerührt war ich von der Wiederbegegnung mit Neumeiers „Josephs Legende“, vor 25 Jahren entstanden, mit der unglaublich schönen Judith Jamison und dem damals gerade 23-jährigen Kevin Haigen – das waren noch Zeiten, als das Wiener Staatsopernballett derartige Qualität zu bieten hatte (wie ja auch in der Verfilmung von Nurejews „Schwanensee“).

Eher irritierend fand ich Béjarts knallige „Nussknacker“-Version – der reinste Etikettenschwindel, aber irgendwann musste er wohl mal seinen Mutterkomplex abreagieren – und wo nimmt er nur immer wieder diese fabelhaften jungen Tänzer her (aber auch der nun schon so lange bei ihm tanzende Gil Roman ist noch immer von einer geradezu elektrisierenden Präsenz)?

Der Tiefpunkt kam prompt um Mitternacht: das Ross-Ballett der Spanischen Hofreitschule in Wien. Dass Pferde aber auch derart unmusikalisch sind! Oder sind es nur die – ja, wie heißen sie eigentlich, die Männer, die die Pferde entsprechend trainieren? Rosstrainer? Dass das nicht unbedingt so sein muss, haben ja gerade erst vor ein paar Wochen die Vorführungen des Pariser Théâtre Zingaro bewiesen (aber da durften die Pferde ja auch zu Strawinskys „Sacre du printemps“ tanzen).

Anstelle des nur lauter Klischees produzierenden Schauspielers Michael Heltau als Moderator (besonders dürftig sein Gespräch mit der blutjungen Katja Wünsche) hätte ich mir lieber die charmante Sabine Sauer gewünscht, die neulich so ungemein sympathisch die Verleihung des Bayerischen Theaterpreises 2001 im Münchner Prinzregententheater moderierte. Doch die Beantwortung seiner Fragen durch Jochen Schmidt und den Schweizer Festivalmanager Samuel Wuersten offerierte vielerlei Einsichten und Anregungen, die man sich ins Ohr so manchen Intendanten und Politikers wünschte.

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