Stuttgart, Anfang April

Was Bayreuth und Berlin miteinander gemeinsam haben?

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Stuttgart, 01/04/2001

Was Bayreuth und Berlin miteinander gemeinsam haben? Nicht nur den Anfangsbuchstaben, sondern auch die jahrelang sich hinschleppende Lethargie ihrer Theaterbetriebe. Doch während die Wagner-Festspiele und die Frage nach der Ablösung ihres derzeitigen Leiters ein Dauerbrenner sind und gerade in diesen Wochen die Gazetten täglich mit ihren Statements, Interviews, Gegenerklärungen und Glossen beschäftigt halten, dümpelt die Diskussion über die Zukunft des Balletts in Berlin vor sich hin, ist es den Medien gerade mal eine Meldung wert, wenn Kultursenator Christoph Stölzl oder sein Ballettbeauftragter Gerhard Brunner eine Information über ihre Pläne verlauten lassen – wobei dann fast jedes Mal die Rede davon ist, dass die Entscheidung unmittelbar bevorsteht.

Das geht jetzt so seit drei Jahren, und die Verunsicherung unter den Tänzern nimmt nachgerade groteske Formen an. Inzwischen ist das Projekt eines für alle drei Opernhäuser zuständigen Berlin-Balletts wohl endgültig zu Grabe getragen, sieht es eher so aus, als ob alle drei Häuser ihre eigene Kompanie, allerdings mit reduziertem Personal, behalten werden, während Brunner als eine Art Intendant die Oberaufsicht führt und die künstlerischen Direktiven erteilt (will sagen für das Engagement der Führungskräfte, die Programm- und Repertoireplanung sowie den Betrieb verantwortlich ist und die Interessen des Balletts im sogenannten „Opernrat“ der Intendanten vertritt).

Jüngste Meldungen besagen, dass Brunner daran interessiert ist, Joachim Schlömer, in welcher Funktion auch immer, an Berlin zu binden (nicht indessen als Leiter einer der drei Opernballettkompanien), dass in Kürze bekanntgegeben wird, wer der Nachfolger von Richard Wherlock an der Komischen Oper werden soll, und wen Udo Zimmermann als neuer Intendant der Deutschen Oper Berlin sich als Ballettchef wünscht. Was die Staatsoper angeht, so schießen die Gerüchte ins Kraut – und wenn noch im Februar die Rede davon war, dass Vladimir Malakhov, der offenbar eine Karriere à la Nurejew anstrebt, als neuer Ballettleiter inthronisiert werden soll, so sind derartige Überlegungen nach dem Desaster seiner jüngsten Wiener „Verdi – Ein Maskenball“-Premiere wohl hinfällig geworden (zumindest kann man sich schwer vorstellen, dass er mit seinem konservativ-altbackenen Geschmack das choreografische Profil des Hauses prägen könnte).

Nach drei Jahren Ballettberatung ist die Situation des Balletts an allen drei Berliner Opernhäusern noch immer unklar – lediglich, dass inzwischen die Zahl der Tänzer reduziert worden ist, dass sich das Engagement von Wherlock als ein Flop erwiesen hat, dass das Repertoire aller drei Häuser in drei Jahren keine einzige künstlerisch relevante Kreation aufzuweisen haben, sondern von den Brosamen andernorts erprobter Stücke leben – siehe Preljocaj, Spoerli, Vamos, Scholz, Bart und Hynd, und dass das Interesse des Berliner Ballettpublikums – das es ja durchaus einmal gab – einem ständigen Schrumpfungsprozess unterworfen ist.

Kein Wunder, dass auch das Engagement der Medien für die Berliner Ballettszene immer weiter abflaut (sodass beispielsweise in den Meldungen über die jüngste Pressekonferenz der Deutschen Oper mit der Bekanntgabe des Spielplans für 2001/02 das Ballett nur ganz am Rande erwähnt wurde und meist nicht einmal die Titel der drei vorgesehenen Premieren genannt wurden). Wonach es nicht weiter erstaunt, dass sich heutzutage niemand mehr darüber aufregt und dass auch das in Berlin erscheinende „Europe's Leading Dance Magazine“ es offenbar aufgegeben hat, den unheilvollen Verlauf der Entwicklung kritisch zu kommentieren und sich stattdessen resignierend mit der Veröffentlichung der spärlich tröpfelnden Nachrichten begnügt.

Der Stellenwert des Balletts in Berlin ist in steilem Sinkflug begriffen – die theaterinteressierte Öffentlichkeit hat sich, so scheint´s, damit abgefunden. Die täglichen News aus Bayreuth sind viel spannender!

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