„La fille mal gardée“

Aufs Äußerste erregt

Stuttgart, 27/09/2001

Wenn alle jungen Männer auf dem Lande so gut tanzen könnten und solche warmherzigen Liebhaber wären wie Filip Barankiewicz, dann könnte der Bauernverband seine Klagen darüber einstellen, dass sich heutzutage kaum noch ein Mädchen dazu bereitfindet, ihr ganzes Leben zwischen Hühnern und Weizenfeld zu verbringen. Und wenn alle jungen Landfrauen so reizende Geschöpfe wären, wie es die schöne Patricia Salgado ist – unsere Dörfer müssten wegen Überfüllung schließen! Aber das sind ja die Aufgaben des Theaters, Illusionen zu schaffen und Denkanstöße zu geben. Das Stuttgarter Ballett, ausgeruht und tanzhungrig aus den Ferien zurückgekehrt, hat mit der ersten einer kleinen Reihe von Vorstellungen des Abendfüllers „La fille mal gardée“ von Frederick Ashton seine neue Spielzeit eröffnet. Und das Publikum folgte ihm hingerissen mit Lach- und Applaussalven. Erst wenn sie wieder da ist, merkt man, wie sehr einem die Truppe gefehlt hat.

Die Compagnie scheint ihr Publikum mindestens ebenso vermisst zu haben. Jedenfalls verdrehte sie ihm vom ersten Hahnenschrei Eric Gauthiers an mit ihrer überbordenden guten Laune und tänzerischen Verve gehörig den Kopf. Keiner, der sich nicht die Lunge aus dem erholten Leib getanzt hätte, bis in die hintersten Reihen ein einziges Lächeln, das wuselte und hechtete und spitzelte, dass es nur so eine Art hatte. Robert Conn legte seine Witwe Simone mit einem Drive hin, dass er beim Holzschuhtanz um ein Haar bis auf die Seitenbühne geschlittert wäre, Thomas Lempertz als Alain zappelte wie von der Tarantel gestochen aufs Äußerste erregt zwischen all diesen hübschen Bauerstöchtern umher, und sein Vater Lior Lev spreizte vor Stolz über diesen buntgescheckten Filius seine Reiterbeine noch ein wenig mehr als sonst.

Patricia Salgados (Lise) blinkende Kulleraugen, ihr stets zum Kuss bereites oder schmollendes Göschle und ihre flirrenden Beine machten im Nu die Hälfte der Zuschauer zu ihren Verehrern, die andere Hälfte lag dem Sunnyboy Filip Barankiewicz (Colas) zu Füßen, dessen charmantes Lächeln selbst bei den riskantesten Flugmanövern eher noch gelöster wirkt. Schöner und verheißungsvoller lässt sich eine Tanzsaison nicht einleiten. Vor dem Stuttgarter Ballett liegen anstrengende und schwere Wochen. Wenn es sie mit dem Elan dieses Abends angeht, dann muss ihm davor nicht bange sein. Und seinen Freunden erst recht nicht.

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