Vielfalt der Tanzstile
Gefeierte Frühlingsmatinée der Heinz-Bosl-Stiftung in der Staatsoper München
Münchner Ballettgeschichte ohne Einbindung in das politisch-gesellschaftliche Leben vor und nach dem Zeiten Weltkrieg
Publikationen zur deutschen Ballettgeschichte sind selten geworden – aus diesem Grund ist es nur zu begrüßen, dass ein vom Ansatz her grundlegendes Werk zum Abschluss gebracht werden konnte. Nachdem das Tänzer- und Choreografen-Ehepaar Pia und Pino Mlakar mit dem 1992 erschienenen ersten Band ihrer Münchner Ballettgeschichte die Zeit zwischen 1650 und 1860 aufgearbeitet haben, legen sie nun den zweiten vor, in dem die Jahre bis 1967, bis zum Ende der Direktorenzeit Heinz Rosens, abgedeckt werden. Wie vom Verlag angepriesen, handelt es sich dabei um ein „Lesebuch“, das die wechselnden Geschicke der Balletttruppe des Nationaltheaters erzählt. Die Autoren ziehen eine Vielzahl unterschiedlicher Quellen heran – Zeitungen und Zeitschriften, Programmhefte, Staatsarchivakten, ikonografische Dokumente – und schildern zunächst kenntnisreich die wichtigsten künstlerischen Stationen der Kompanie unter den Ballettmeisterinnen und -meistern Lucile Grahn, Franz Xaver Fenzl, Flora Jungmann und Heinrich Kröller; präzise wird festgehalten, wie vor allem unter Kröller (1917-30) choreografische Neuerungen, in diesem Falle der Ballets Russes und des Ausdruckstanzes, Eingang in die Ballette fanden.
Gelingt es Pia und Pino Mlakar bis zu diesem Punkt, biografische Informationen, Beschreibungen bedeutender Aufführungen und alltägliche Probleme eines Ballettensembles in einer angenehm zu lesenden Mischung zu präsentieren, so fällt der zweite Teil des Buches – über die rasch wechselnden Direktoren, darunter zweimal die Mlakars selbst (1939-43 und 1952-54) – in dieser Hinsicht deutlich ab. Hier wird nun ausführlich zitiert, werden fleißig die Premierendaten abgehakt, aber es fehlt eine Einbindung in das politisch-gesellschaftliche Leben vor und nach dem Zeiten Weltkrieg. Dass sich in den 30er Jahren die nationalsozialistische Machtübernahme mit all ihren Auswirkungen, einschließlich der Gleichschaltung der Kultur und der Vertreibung jüdischer Künstler, vollzog – in diesem Buch wird das nicht einmal erwähnt. Ebenso wenig wird darauf eingegangen, wie sehr sich nationalsozialistische Größen – allen voran Adolf Hitler, aber auch der „starke Mann in Bayern“, Gauleiter und Staatsminister Adolf Wagner – bisweilen für die Theater der „Hauptstadt der Bewegung“ und der „Hauptstadt der deutschen Kunst“ interessierten und sich zunutze machten.
Ein spezielles Ärgernis ist, wie dieses Buch zur Veröffentlichung freigegeben wurde. Zwar zeichnen gleich zwei Personen für das Lektorat verantwortlich, dennoch merkt man dem Titel insgesamt eine fehlende fachkompetente Redaktion an – eine offensichtlich nicht erfolgte Schlusskorrektur passt da ins Bild einer lieblos betreuten Publikation.
Ausnahmslos freuen kann man sich jedoch über das umfangreich wiedergegebene Quellenmaterial: Abbildungen, Werkverzeichnisse und Inhaltsangaben ausgewählter Handlungsballette.
Pia und Pino Mlakar: Unsterblicher Theatertanz. 300 Jahre Ballettgeschichte der Oper in München. Band II: Von 1860 bis 1967, Noetzel, Heinrichshofen-Bücher, Wilhelmshaven 1996, 372 S., DM 98,-
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