Glitzerfummel vs T-Shirt

Godani meets Forsythe bei der Dresden Frankfurt Dance Company

Beim neuen, namenlosen Tanzabend werden die Choreografien „Echoes from a Restless Soul“, „N.N.N.N.“ und „From Now on“ präsentiert.

Frankfurt am Main, 15/10/2018

Am Anfang war der Cut – Bills Fußstapfen waren einfach zu groß, als dass ein Nachfolger darin laufen könnte. Als Jacopo Godani vor drei Jahren überraschend das Erbe von William Forsythe (nach dessen wohl Burn-Out bedingtem Rückzug) antrat, gab es eine klare Trennung bis hin zur Namensänderung der Kompanie in „Dresden Frankfurt Dance Company“. Für das originelle, aus der Not geborene Finanzierungskonzept der Truppe legen die Städte Frankfurt und Dresden sowie die Bundesländer Hessen und Sachsen zusammen; dafür muss die Kompanie ihre Gunst gleichmäßig zwischen dem Bockenheimer Depot in Frankfurt und dem Kunstzentrum in Dresden-Hellerau verteilen.

Aber Jacopo Godani war nicht umsonst jahrelang Startänzer bei Forsythe, als dieser noch die Tanzsparte am Frankfurter Theater leitete – und sich anschickte, das Bewegungsrepertoire des klassischen Balletts auf seine Effekte hin abzuklopfen und systematisch zu dekonstruieren. Mit sicherem zeitlichen Abstand und der Vertragsverlängerung für seine Kompanie bis Ende 2021 in der Tasche knüpfte Godani schon mehrfach an die legendäre Vergangenheit an. In seinem neuen Tanzabend, der im Bockenheimer Depot seine Premiere erlebte, rahmen zwei eigene Stücke die Neuinszenierung von Forsythes Choreografie „N.N.N.N.“ ein. Dieses Stück, eines der zahlreichen Signatur-Pieces von Forsythe, erlebte seine Premiere 2002 am gleichen Ort. Vier Tänzer im typischen casual Outfit (Hosen in gedeckten Farben, farbige T-Shirts) zelebrieren das Kunststück, Teile eines einzigen (über)beweglichen Körpers zu werden. Dabei hilft keine Musik – Forsythes ehemaliger Hauskomponist Thom Willems lässt nur die Atemgeräusche verstärken, die dem Stück seinen eigenen Rhythmus bescheren. Es fängt mit dem Pendeln der Arme an, und die eigenwillige Konzentration auf den scheinbar chaotischen Fluss der Armbewegungen hat sicher bei der originellen Besetzung einer Partie durch eine Tänzerin Rechnung getragen: Anne Jung verfügt über außergewöhnlich lange Arme. Der zwingende Fluss des Stückes entfaltete auch in der neuen Besetzung seine Wirkung: Abstimmung im Publikum mit Händen und Füßen. Forsythe kann’s, immer noch.

Godani selbst schwört in seinen beiden Beiträgen für diesen namenlosen Tanzabend auf Spitzentanz, auf technische Raffinesse, auf Glanz und Glitter und ästhetisch untadelige Gesamtkunstwerke. Eingangs zeigte er die Wiederaufnahme von „Echoes from a Restless Soul“ (2017) zu den ersten beiden Teilen von Maurice Ravels Piano-Bravourstück „Gaspard de la Nuit“ (live gemeistert von Svjatoslav Korolev). Akustisch wird die Romantik befeuert und zu Grabe getragen, tänzerisch setzt Godani auf zwei futuristisch anmutende Paare im metallischen Glitzerlook. Sie verschlingen sich miteinander zu zweit und zu viert – höchst artifiziell, künstlich und kühl.

In seiner Neukreation „From Now on“ für sieben Tänzer*innen ist dafür Spaß angesagt: ein bisschen schrill – ganz wie Steven Mackeys „Physical Property“, eine Komposition für Streichquartett und E-Gitarre. Quietschbunt sind die Glitzerbodys der Tänzerinnen, zackig und perfekt durchgespielt die energetisch hoch aufgeladenen Formationen. Ähnlich wie bei Forsythe steht die Gruppe im Mittelpunkt, die Godani effektvoll zur ästhetischen Einheit zusammenwachsen lässt. Mit der ehrgeizigen Titelfindung ließ er sich Zeit bis zur Premiere – ganz wie Forsythe Namensgebungen für seine Arbeiten in letzter Minute zu zelebrieren pflegte. Der aber hatte dem Spitzentanz selbst in seinen Ballett-geprägten Zeiten mehr Reibung entgegenzusetzen. Sich gegen einen Choreografie-Giganten zu behaupten, ist schwer – und besonders, dann, wenn die glatte Oberfläche keine Reibung zulässt.

 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern