„crying through my white mother’s tears” von mirabella paidamwoyo* dziruni

Umkehrung des Blicks

„crying through my white mother’s tears” als Uraufführung beim Wiener Festival imagetanz im brut nordwest

mirabella paidamwoyo* dziruni entführt das Publikum in ein Nachtclubambiente

Wien, 12/03/2023

In unserem Alltag treffen wir ständig (un-)bewusste Entscheidungen, nehmen Selektionen vor. Teilweise sind diese sicherlich auch basierend auf unseren persönlichen Erfahrungen, ersten Eindrücken und ja, auch auf Herkunft bzw. Hautfarbe. mirabella paidamwoyo* dziruni führt einem bereits zu Beginn der Performance einen Selektionsprozess vor Augen. Während das Publikum auf den Einlass wartet, kommen die vier Performerinnen ins Foyer und wählen jeweils vier Personen aus, die sie in den Saal geleiten. Dort werden dann Plätze zugewiesen. Dieser Prozess wiederholt sich, bis alle Platz gefunden haben. Dabei werden auch Gruppen getrennt.

Im Bühnenbereich stehen sechs runde Tische für jeweils vier Personen. Diese Zuschauer*innen sind somit definitiv den Blicken aller ausgesetzt. Zusätzlich gibt es zwei Reihen, die mit dem Blick schräg auf die Zuschauer*innentribüne ausgerichtet sind. Wohin die eigenen Blicke fallen bzw. welchen Blicken man ausgesetzt ist, wird ein wichtiges Thema dieser Performance sein, aber leider auch das einzige.

mirabella paidamwoyo* dziruni will in ihrer Perfomance „Dynamiken von Macht und Fürsorge zwischen Schwarzen / People of Color und der weißen Dominanzgesellschaft“ freilegen, konnte man in der Ankündigung lesen. Zu sehen ist das an diesem Abend allerdings nur spärlich. Anfangs kann man den vier Performerinnen, mirabella paidamwoyo* dziruni, Asher O’Gorman, Claire Lefèvre, Veza Fernánde bei Aufwärmübungen zusehen. Durch die viel Haut zeigenden Kostüme, Plateau-Stilettos mit Led-Beleuchtung, eine Pole-Dance-Stange, die wenig zum Einsatz kommt, und die pulsierende Musik, die live von der DJane MTASA produziert wird, wähnt man sich in einem Nachtclub. Nur die Drinks fehlen.

Irgendwann beginnen die vier Performerinnen sich durch den Raum zu bewegen, tanzen als wären sie Go-Go-Girls, beobachten einzelne Personen teilweise sehr intensiv. Das sind die wohl spannendsten Momente, wenn sich der Blick umkehrt: nicht mehr die Performerinnen werden angesehen, sondern das Publikum. Die Bewegungen werden lasziver, die Energie im Raum steigt an. Doch mit dieser Energie wird nicht wirklich gearbeitet, es kommt zu keiner Steigerung oder Veränderung mehr. Nach knapp achtzig Minuten verlassen die Performerinnen den Bühnenraum, zurück bleiben lediglich ein Paar High Heels und ein Publikum, das zögerlich zu klatschen beginnt. Warum die Darstellerinnen sich nicht verbeugen kommen, ist nicht nachvollziehbar.

Man soll ja ohne Erwartungshaltung in eine Vorstellung gehen, aber man hat doch eine Auswahl aufgrund eines Ankündigungstextes getroffen. Das Publikum zu beobachten war fast spannender als seinen Blick auf die Tänzerinnen zu richten, die durchaus mit guter Präsenz gearbeitet haben. Im Laufe des Abends hatte man das Gefühl, dass sich viele im Publikum etwas anderes erwartet haben. „Durch einen Dialog zwischen den vier Protagonistinnen auf der Bühne werden Fragen zu Privilegien, Bindungen, verinnerlichten und äußeren Traumata, Unterschieden und Gleichheiten behandelt.“ Auch dieser Satz fand sich in der Ankündigung. Doch der Dialog hat wenn, dann nur auf energetischer Ebene stattgefunden. Schade!

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